Der bewaffnete Freund
geht es Zubieta immer schlechter. Aus seinen Poren perlen kleine Schweißtropfen, die an den Schläfen herunterrinnen, der Flüssigkeitsverlust hat seine Lippen rissig gemacht, bei jedem Atemzug höre ich den Freund schnaufen. Fast regungslos liegt er da, die Schläfe an den zurückgestellten Beifahrersitz gelehnt, und wartet auf den nächsten Fieberschub, den Schüttelfrost, die Muskelkontraktionen, die den Körper aus dem Sitz nach oben pressen.
Die Sierra haben wir hinter uns gelassen, seit einer halben Stunde ziehen abgeerntete Felder an uns vorbei, flaches, fruchtbares Ödland. »Knoblauch-Kultur«, heißt es kryptisch auf einem Schild am Straßenrand, »Spezialität von Albacete«, und ich frage mich, ob man hier auch etwas anderes anbaut, überhaupt etwas anderes anbauen kann. Die Erde sieht müde aus, ausgelaugt, eintönig, kilometerlang ist kein Strauch, kein Baum, kaum ein Hügel zu sehen, nur die großen fahrbaren Bewässerungsanlagen und das eine oder andere Gerätehaus erheben sich aus der Ebene. Das iberische Hochplateau heißt nicht umsonst la meseta, der Tisch.
Ich habe den Überblick über unseren Aufenthaltsort verloren, die Michelin-Karte liegt unaufgeschlagen auf dem Handschuhfach, ich kenne unser Ziel nicht. Zubieta hat nur vage Andalusien gesagt, als ich gefragt habe, wo ich hinfahren soll, eine Ortschaft etwas südlich der Linie Jaén-Córdoba. Alles weitere werde er mir erklären, wenn es so weit sei, »das ist sicherer«. Und so fahre ich, immer geradeaus, der Sonne entgegen, einer kleinen weißen Scheibe, die zwar nicht mehr scharf auf der Haut brennt wie noch vor zwei Monaten, aber immer noch unangenehme Hitze entwickelt und vor allem die Sicht auf die Straße beeinträchtigt, mir ziemlich genau im 45-Grad-Winkel ins Gesicht fällt, grell die Netzhaut ausleuchtet.
Das Werbeschild eines Mobilfunkunternehmens.
Eine ins Nichts führende Straßenabzweigung.
Ein Düngemittel, Saatgut, Schlachtvieh transportierender Vierachser.
Ich bin es nicht gewohnt, stundenlang ohne Unterbrechung am Steuer zu sitzen, ich mache mir Sorgen wegen der Tankanzeige, die tief im roten Bereich steht, ich frage mich, wie weit der Treibstoff noch reichen wird. Doch die Vorstellung, an einer Zapfsäule zu stehen, von einem Tankwart gemustert zu werden und bei einer Lüge ertappt und erkannt zu werden, lässt mich alle Abfahrten meiden. Ich weiß, dass es keine Tankstellen ohne mögliche Zeugen gibt, dass das, worauf ich hoffe, die automatische Zapfsäule, nicht auftauchen wird und wir dringend Benzin brauchen, wenn wir nicht am Straßenrand liegen bleiben und noch mehr Aufmerksamkeit auf uns lenken wollen, und trotzdem fahre ich weiter.
Wir durchqueren eine Ortschaft, auch sie »Knoblauchkultur«, auch sie »Spezialität von Albacete«, kommen an einem Hotel vorbei, einem zweistöckigen Gebäude mit einem großen asphaltierten Parkplatz neben dem Eingang, Zimmer frei, steht einladend auf einem Plastikschild.
Doch ich weiß: Das gilt nicht für uns. Wenn wir unser Ziel nicht mehr erreichen, weil Zubieta zu krank ist, um weiterzufahren, wüsste ich nicht, wo ich hin soll. Mit dem Freund kann ich nicht ins Hotel, nicht in ein Krankhaus, nicht mal länger auf einen öffentlichen Parkplatz.
Wir sind ausgeliefert, denke ich. Ich bin ausgeliefert.
Schließlich halte ich doch noch. Es ist früher Nachmittag, vielleicht 14 Uhr. Wir befinden uns immer noch in dem eintönigen, nur von Pinienwäldern unterbrochenen Anbaugebiet bei Albacete. Eine Tankstelle, wie es sie zu Tausenden auf der Halbinsel gibt: vier Zapfsäulen, ein kleiner Laden, eine Bar mit Speiseraum. Die Männer, die hinter den Scheiben zu erkennen sind, halten Zigarren in den Händen und trinken Cognac, als Appetitanreger oder Digestif, vor oder nach dem Mittagessen, zum Dessert, Eis oder Kaffee. Auf dem Parkplatz neben dem Gebäude stehen ohne durchschaubares System zehn, elf, zwölf LKW, deren Fahrer am Mittagstisch sitzen, in ihrer Koje eine Siesta halten, sich eine Prostituierte genommen und das Zimmer einer anliegenden Pension aufgesucht haben – was weiß ich.
Ich reihe mich in die Schlange vor der Tanksäule ein. Das Seitenfenster lasse ich hochgefahren, obwohl es warm ist, der Tankwart, der sich hier um die Fahrzeuge kümmert, soll Zubieta nicht direkt ins Gesicht blicken können. Ich lege dem Freund einen feuchten Lappen auf die Stirn – um das Fieber zu senken, aber auch um sein Gesicht zu bedecken.
Als wir an die Reihe kommen,
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