Der Bienenfresser
ich. Als Polizist hatte ich mich damit abgefunden, bei vielen Mitmenschen auf Ablehnung zu stoßen; Anfeindungen beinhalten ja auch immer einen gewissen Respekt. An die Freundlichkeit, so sie mir bei meinen privaten Ermittlungen begegnete, musste ich mich erst noch gewöhnen.
Verenas nette Worte und ihr süffisantes Lächeln sagten doch nichts anderes als: Elmar, du armer Sack, kriegst allein nichts mehr auf die Reihe, brauchst meine Hilfe. Siehst ziemlich alt und krankhaft bleich aus, wird Zeit, dass du in die Sonne kommst.
Das Schlimme war, es stimmte. Zum Teil jedenfalls, doch es galt, die Würde zu wahren. Also sagte ich so ruppig und gleichgültig wie möglich: »Machen wir es kurz. Fünftausend und ich fahre nach Ibiza und schaue mich dort um.
Fünftausend, darunter ist nichts.«
Ihr Lächeln fror ein wenig ein. Und ich legte nach: »Plus Flug und Hotel und einen Mietwagen. Die fünftausend vorab.«
Das war wichtig, denn ich wollte dem Finanzamt noch vor meiner Abreise mit einer Teilzahlung den guten Willen zeigen.
Was Rabauken, Kommissare und irgendwelche LKA-Beamte so schnell bei mir nicht schafften: Skasa hatte mich beeindruckt. Wenn es hart auf hart mit dem Finanzamt ging, war es gut, ein paar Tausender auf dem Konto zu haben. Die von der Abteilung Steuerfahndung fackelten nicht lange.
Kamen in aller Frühe, zu zweit, zu dritt, verteilten sich über die Räume, blockierten das Telefon, packten alles in Kartons, was für die Ermittlung von Nutzen sein konnte, ob Computer, Karteikarten oder Notizbücher. Ohne meine Unterlagen aber, ohne Adressen und Telefonnummern, wäre ich aufgeschmissen und könnte gleich zum Sozialamt gehen.
Verena stand von meinem Besuchersessel auf, durchmaß den Raum, blieb vor meiner Koch-und-Spül-Kombination stehen, legte den Kopf schräg, als handele es sich um das Werk eines Popartisten, und hob eine Augenbraue. So, ganz überlegen, hatte ich sie damals kennen gelernt, auf einer
Ausstellungseröffnung, wo ein Künstler seine Machwerke an die Wand gehängt und mit dem Titel Last meets West als große Kunst verkauft hatte.
»Ich könnte Ihnen was wirklich Großartiges zeigen«, hatte ich die hoch gewachsene Frau in dem beigefarbenen Designerkostüm angesprochen, die einen Ringblock in der Hand hielt und gelangweilt Notizen machte.
»Ach ja? Doch wohl nicht Ihren – Schwanz?«, hatte sie lächelnd und wohl artikuliert und mit einer Kunstpause an der richtigen Stelle gesagt.
Das dunkle, glänzende Haar hatte sie straff zurückgekämmt, ihr Gesicht wirkte kühl, glatt und beherrscht – eine Frau, die selbst im Sommer glaubhaft Pelzmäntel vorführen könnte, hatte ich überlegt und mir auch sonst so einiges vorgestellt.
Wir waren zu dem stillgelegten Hüttenwerk in Meiderich gefahren und die vielen eisernen Stufen bis zur Spitze des Hochofens gestiegen. Ganz Gentleman hatte ich sie vorangehen lassen, um sie im Falle eines Fehltritts auffangen zu können; und die ganze Zeit hatte ich vor meinen Augen ihren hochmütig wackelnden Hintern, auf den ich während des langen Aufstiegs regelrecht geprägt wurde; so wie ein Graugänseküken auf das erste große Lebewesen geprägt wird, das sich nach der Nestflucht vor seinen Augen bewegt. Mit jedem Absatz wurden die Ausblicke auf die Industrielichter schöner; mehr und mehr kamen wir außer Atem, zuletzt keuchten wir vor Anstrengung und Erregung. Dann waren wir oben in luftiger Höhe und ich wusste, dass mir nur noch wenige Minuten blieben, denn unter uns geisterten bereits die Taschenlampen weiterer Besucher über die Stahlbleche, Räder, Seile und Konstruktionen aus Winkeleisen.
Als Verena sich, die Aussicht bewundernd, über das Geländer beugte, sagte irgendetwas in mir, wenn du es jetzt nicht schaffst, diese vornehme Schickse zu bumsen, dann schaffst du es niemals mehr. Also stellte ich mich hinter sie, schob das Jil-Sander-Kostüm hoch – und legte los. Bis die Schritte der anderen Besucher schon ganz in unserer Nähe polterten und die Lichtkegel der Taschenlampen unsere Schuhe streiften. Mit dem letzten Stoß dankte ich den Arbeitern, die den Hochofen erbaut und über Jahre bedient hatten, den Jungs, die von Kunst nicht übermäßig viel verstanden, die aber wussten, was Maloche ist. Danke, Kumpels, danke! Und ich schwitzte genau wie sie.
Vielleicht war der Dank damals verfrüht gewesen.
Drei Wochen später waren wir verheiratet und weitere drei Jahre danach geschieden. Auch das war nun schon wieder einige Jahre her.
Weitere Kostenlose Bücher