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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Finca.
    »He da! Sie haben sich verfahren. Hier geht’s zu keinem Strand.«
    »Ich suche keinen Strand.«
    »Die Tropfsteinhöhle liegt dahinten.« Er gab mit seiner Hand eine vage Richtung an.
    »Ich suche auch keine Tropfsteinhöhle.«
    »Was denn?«
    »Darf ich wohl ein Stück näher kommen? Oder frisst mich Ihr Hund gleich auf?«
    »Der tut nur, was ich sage.«
    Mir war nicht klar, ob mich das beruhigen sollte oder ob das als Warnung zu verstehen war. Ich näherte mich den beiden, vermied aber den Blickkontakt mit dem Hund und ließ ihn schließlich an meiner herunterhängenden Hand schnuppern.
    »Prüfung bestanden. Setzen Sie sich.« Der Mann deutete auf einen der Eisenstühle, von denen ein Dutzend auf dem Hof stand, nahm selber aber in einem Autositz Platz. »Was wollen Sie?«
    Ich erklärte ihm, dass ich ein Mädchen mit Namen Dora oder Donata suchte.
    »Wir suchen ja alle was: Sie ein Mädchen, ich den richtigen Anfangssatz für einen Roman.«
    »Wie wär’s mit: ›Ilsebill salzte nach‹?«
    »Ach, Günter Grass!« Er zog die Nase hoch. »Nach Katz und Maus ist ihm nichts mehr richtig gelungen.«
    »Der Butt?«
    »Zu viel Ballast. Großer Zeigefinger, er wollte perfekt sein.
    Kommen Sie.« Er führte mich hinters Haus zu einer Mercedes-Limousine, die auf vier Hohlblocksteinen stand, öffnete die Heckhaube und entnahm dem Kofferraum eine vorsintflutliche Schreibmaschine. »Walter Benjamin soll darauf geschrieben haben«, sagte er.
    »Was zu hohem Anspruch verpflichtet.«
    »Leider komme ich kaum zum Schreiben. Die Finca frisst mich auf. Dauernd gibt es was zu reparieren; dann die Tiere, Hühner und Katzen füttern, mit dem Hund spielen und spazieren gehen, dem Pfau, der nachts in der hohen Pinie da hinten schläft, habe ich schon einen Spiegel hingestellt, damit er sich selbst beschäftigt. Und einmal im Jahr muss man die alten Gemäuer außen kalken, sonst fällt der Putz ab, einmal innen streichen, sonst nehmen die Silberfische überhand; die fressen die Umschlagseiten von meinen schönen Büchern, manche Bände muss ich erst aufschlagen, um den Titel zu ernennen.«
    »Hm, die Silberfische…«
    »Ja, und die Ratten, nagen alles an; damit sie nicht das Farbband anfressen, schließe ich die Schreibmaschine im Kofferraum ein.«
    »Unter diesen Umständen kann man natürlich nicht
    schreiben.«
    »Sie haben es erfasst. Sehen Sie sich die dicken Mauern an, gut gegen die Sommerhitze, speichern aber im Winter die Feuchtigkeit, rasch hat man da steife Finger.«
    Wir schlenderten ums Haus und ich ließ meine Hand über die Gitter der Fenster gleiten.
    »Ja, kleine Fenster und zusätzlich noch vergittert, das ist ibizenkische Tradition aus alten Freibeuterzeiten, sogar der Kamin hat ein Gitterkreuz, keiner kommt rein«, der Mann lachte, »und keiner kann raus. Die echten Fincas sind Festungen. Wissen Sie, warum die alten Damen diese bauschige Tracht tragen?« Er gab selbst sofort die Antwort.
    »Damit wollten die Frauen früher eine Schwangerschaft vortäuschen, sie dachten, das könne sie vor Vergewaltigungen durch die Piraten schützen.«
    »Hm, hört sich spannend an. Was aber ist mit Dora?«
    »Sind Sie ein Verwandter, Herr…«
    »Schlömm.« Ich wählte meinen alten Spitznamen.
    »Warum fragen Sie gerade mich nach dieser Dora, lieber Herr Schlömm?«
    »Schlömm genügt.«
    »Gerald oder Gerry, besser Gerry.«
    »Also, Gerry, man hat mir gesagt, dass Dora hier lebt.«
    »Und wenn es so wäre?«
    »Dann würde ich gern mit ihr sprechen.«
    »Worüber?«
    »Ach, eine Freundin von ihr in Deutschland, die möchte einfach nur wissen, ob es ihr gut geht; die Frau macht sich Sorgen um Dora, hat lange nichts von ihr gehört.«
    »Und dann? Ich meine, nach dem Sprechen mit Dora?«
    »Danach verrate ich Ihnen einen guten Romananfang, schwinge mich auf mein Motorrad und bin wieder weg.«
    »Zuerst den Einstieg.«
    Na schön, dachte ich und nannte ihm einen: »›Blum sah auf die Uhr. Höchste Zeit.‹«
    »Ah ja, von wem ist das?«
    »Jörg Fauser, Krimischreiber, einer der besten.«
    »Und Sie, was sind Sie, Detektiv oder so was Ähnliches?«
    »Eher so was Ähnliches: bin jemand, der auch immer einen guten Anfang sucht – und danach die Sache gern zu Ende bringt.«
    Er sah mir in die Augen, sein Gesicht und sein Ton veränderten sich schlagartig, ganz langsam und sehr akzentuiert sagte er: »Und wenn ich der Meinung bin, lieber Schlömm, Sie sollten sich mit Höchstgeschwindigkeit verpissen?«
    »Dann gehe ich

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