Der Bienenfresser
nachts.
Bis dahin blieb noch eine Menge Zeit.
Es war kurz nach zwei und mit der Absicht, lediglich etwas nachzudenken, legte ich mich aufs Bett, schlief dann aber prompt ein.
Lag es an dem Hinweis auf die ›heißen Maedschen‹? Oder hatte der erfrischende Mittagsschlaf dies bewirkt? Jedenfalls erwachte ich mit sehnsuchtsvollen, ja lüsternen Gedanken und die flogen in Richtung Norden, überquerten die Alpen, den Main, die Ruhr, um sich punktgenau in Duisburg-Walsum niederzulassen.
Ich griff zum Telefon und wählte die Nummer von Marie Laflör. Als ich ihre Stimme hörte, verließ mich der Mut.
Ich legte auf.
22.
Der Club Tanit öffnete um Mitternacht. Jetzt war es halb zwölf. Mir schwirrte der Kopf. Das hektische Treiben in den Gassen von Sa Penya und La Marina hielt den ganzen Abend an. Ruhige Ecken gab es in der unteren Altstadt nicht, eine ungesunde, aufgeheizte Erwartung lag in der Luft. Es wimmelte nur so von erlebnishungrigen Touristinnen, von Kerlen, die sich Mut antranken, und Paaren, die sich offensichtlich schon gefunden hatten.
Im Café Mar y Sol gegenüber dem Hotel Montesol wurde ein Tisch frei, ich setzte mich. Sofort bauten zwei Afrikaner, behängt wie Christbäume mit bunten Perlenketten und Trödel, vor mir ihre Schnitzereien auf. Rastajünglinge, die auf Rollschuhen die Tische der Straßencafés umkurvten, drückten mir Flugblätter in die Hand. Ich schob die Zettel, die zu Misswahlen und Vampirnächten in die Diskotheken einluden, unter mein Glas mit Mineralwasser und machte mich auf den Weg.
Der Club Tanit lag im neuen Teil der Stadt unterhalb des Mühlenhügels, der, so hatte ich gelesen, durchlöchert wie ein Schweizer Käse war und dreitausend phönizische
Grabkammern enthielt. Ich betrat das Nachtlokal, das aber keineswegs in einer Grotte oder Gruft untergebracht war, nicht einmal in einem vorgetäuschten punischen Tempel, sondern in einem halbhohen Haus in der Calle Ramon Muntaner.
Der Eintritt kostete einen Hunderter, dafür erhielt ich dreißig Tanit-Dollar, die wie Monopoly-Geld aussahen und eine Art Zwangsumtausch wie zu DDR-Zeiten darstellten – man musste sie verprassen.
Ich stellte mich an die Theke, ließ mir ein Bier bringen, das ich nicht anrührte, und sah mich um. Die Tische um die kleine, hell erleuchtete Bühne waren voll besetzt; Männer mittleren Alters, Spanier und Touristen, ein paar Frauen saßen auch unter den Zuschauern.
Die Show hatte schon begonnen.
Eine Krankenschwester schüttelte ihren Kittel ab, wand sich schlangenartig und etwas berufsfremd um eine blank polierte Stahlstange, wie sie von Feuerwehrleuten benutzt wird, dann streifte sie ihren BH ab. Nur noch mit Strümpfen, Strapsen und Stöckelschuhen bekleidet näherte sie sich den Tischen, bückte sich, gab hier was zu betrachten und dort was zu
beschnuppern. Der BH flog durch die Luft, die Strümpfe folgten, sie reckte sich, sie streckte sich, doch den allerletzten Einblick verwehrte die Feuerwehrstange.
Musik. Nächste Nummer.
Eine Folkloreeinlage. Die Tänzerin trat in ibizenkischer Tracht auf. Kopftuch, hochgeschnürte Bluse, bauschige Röcke.
Die Musik dazu klang nordafrikanisch, die Bewegungen sollten bewusst bäuerisch wirken, hier ein tapsiger Schritt, dort ein tapsiger Schritt, Röcke lüpfen, den ersten, den zweiten, den dritten – altmodische Unterwäsche wurde sichtbar. Ländlich forsch, weg damit! Sie stieg auf die Tische der Zuschauer, ging in die Hocke und spreizte die Beine. Vom Whisky on the rocks ermutigt, zupfte ein älterer Gast kess am verbliebenen Knieband der Bäuerin, machte seinen Frevel aber wieder gut, indem er der jungen Landfrau ein paar Tanit-Dollar ins Mieder steckte. Später verschwand er mit ihr in einem Separee. Das Zustecken der Tanit-Dollar war die einzig erlaubte Berührung, jedenfalls in der Öffentlichkeit.
So also lief das.
Es folgte die Schulmädchen-Nummer. Schüchtern hob die Frau das Faltenröckchen, ließ im Blaulicht unschuldsweiß das Höschen blitzen, zog es aus, hielt es an ihr Näschen. Nach ihr kam als Kontrast eine Domina in Lack und Leder, die mit der Peitsche knallte; die Männer in den vorderen Reihen fauchten und kuschten, die in den dunklen Nischen reagierten womöglich auf andere Weise.
Pause.
Danach wurde, anscheinend als Attraktion des Programms, Kristine angekündigt. Das war der Name, den der
Briefabsender mit Filzstift an den Rand des Flugblatts geschrieben hatte.
Kristine trat als Stewardess auf. Sie zog die recht gekonnte
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