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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Alltagstracht beobachtete, wie ich mit dem Werkzeug umging, und murmelte »muy rapido«, was, glaube ich, ›sehr schnell‹ hieß.
    Na ja, es ging so, meine Zeit beim Zirkus lag Jahre zurück, aber ich versuchte in Übung zu bleiben.
    Ich zeigte der Dame, die über ihrem bauschigen Rock eine graue Weste trug und ihre Haare zu einem mageren Zopf geflochten hatte, das Foto von Dora Klugmann. Sie nickte lebhaft. Doch genau so entschieden schüttelte sie den Kopf, als ich sie radebrechend fragte, ob sie diese Frau in letzter Zeit mal gesehen habe. Ich erkundigte mich nach dem Postfach der
    ›Alemana‹ und sie malte die Zahl 26 auf ein Stück Einpackpapier.
    Ich trank einen frisch gepressten Orangensaft, probierte den Ziegenkäse, aß ein Stück Mandelkuchen und zahlte. Beim Hinausgehen blieb ich vor den Postfächern stehen. Die Ansichtskarte mit meiner Hoteladresse fiel, dem Geräusch nach zu urteilen, bis zum Boden. Für mich ein Hinweis, dass irgendjemand diesen Briefkasten leerte, sonst hätten zumindest jene Briefe darin liegen müssen, die meine Exfrau und jetzige Klientin in letzter Zeit an Dora geschickt hatte.
    Im Garten saß ein Pärchen in grellbunter Radlerkleidung, deren identisch tomatenrote Gesichter den Partnerlook vervollständigten. Ganz anders nahm sich der schlicht gekleidete Mann aus, der am Nebentisch eine spanische Zeitung las.
    Als ich mich auf mein Motorrad setzte, ließ er die Zeitung sinken und erhob sich. Die Zeiten, da man jemandem heimlich folgte, waren offensichtlich vorbei.
    21.
    Der Hippiemarkt von Es Canar entpuppte sich als ein Riesenrummel. Hunderte von Ständen mit Schmuck,
    Lederwaren, Tüchern und Tand. Meist stand hinter den Klapptischen ein ergrauter Typ, der sich noch einmal in die Afghanenweste gezwängt hatte, oder eine Frau mit hennarotem Haar und Knopf im Nasenflügel.
    Es roch nach Staub, Tortilla und indischen Gewürzen. Das Gedröhn von Bongotrommeln vermischte sich mit
    Kinderplärren und Hundebeilen. Überhaupt schien das Trommeln auf der Insel eine Manie zu sein, ob in den Altstadtgassen, an den Stränden oder hier auf dem Markt, überall saß so ein Zappelphilipp und verleitete Frauen reiferen Alters vom Typ Lehrerin zu eckigen Bewegungen.
    Es gab auch Stände mit Bildern, meist war es Gekleckse in Öl oder Acryl, das den Betrachter in psychedelischen Rausch versetzen und seine Brieftasche öffnen sollte.
    Ich hielt nach Kapuste Ausschau, fand ihn aber nicht. Dafür glaubte ich hin und wieder jenen Kerl zu sehen, der mit der Zeitung in Anitas Bar gesessen hatte. Nach einer Stunde reichte es mir, der Staub, die Hitze, die vielen Menschen, ich fuhr in Richtung Ibiza-Stadt und freute mich auf das Hotelbett.
    Schließlich befand ich mich ja im Land der Mittagsruhe.
    Als ich an der Rezeption meine Schlüssel verlangte, überreichte mir der Mann hinter dem Tresen einen
    Briefumschlag.
    In meinem Zimmer riss ich das Kuvert auf. Zum Vorschein kam ein Zeitungsausschnitt mit der Schlagzeile Flamingo im Tiefflug.
    Mit dem Schrecken und leichten Blessuren sind die Passagiere einer deutschen Chartermaschine davongekommen. Das Flugzeug der privaten Gesellschaft ›Flamingo-Jet-Charter‹
    befand sich im Anflug auf den Inselflughafen, als es aus bisher ungeklärten Gründen in Schwierigkeiten geriet. Bei der, gemäß den Worten des Piloten, »harten Landung« verletzte sich eine der Stewardessen. Die 26-jährige Dora K. wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Von den Reisenden – unter ihnen Politiker und Geschäftsleute auf dem Weg zu einem Treffen mit Repräsentanten der Inselwirtschaft – wurde zwar der Staatssekretär A. S. leicht verletzt, brauchte jedoch nur ambulant behandelt zu werden. Die Fluggesellschaft
    ›Flamingo-Jet-Charter‹ bedauert den Zwischenfall…
    Der Artikel stammte aus der deutschen Beilage einer spanischen Tageszeitung; jemand hatte ihn ausgeschnitten und anschließend kopiert. Der Bericht – dem Datum nach lag der Vorfall etwa ein Jahr zurück – war mit dem Kürzel G. K.
    gezeichnet.
    Kein Name auf dem Kuvert, kein Begleitbrief, nichts deutete darauf hin, wem ich die Meldung zu verdanken hatte.
    Stattdessen ein unübersehbarer Hinweis darauf, dass sich der Absender Sorge um mein Sexualleben machte. Denn der Umschlag enthielt einen jener Handzettel, einen so genannten Flyer, wie sie ständig in der Stadt verteilt wurden. Der Text lautete:
    El Club Tanit – Table dance – Erotic Show
    heiße Maedschen tanzen fuer sie auf Tish –
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