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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Bewegungen, mit denen ich die Kamera aus der Tasche zog, waren entsprechend langsam, aber immer noch schnell genug, um einen eitlen Dummkopf hereinzulegen. Was ich – Simsalabim – mit Münzen und Spielkarten gelernt hatte, klappte auch hier. Ich gab dem schwarzen Riesen genau das, was er sehen wollte: einen aus der Kamera gezogenen, nun wertlosen Film, der sich vor seinen Augen kringelte.
    Mit einem zufriedenen Grunzen gab er den Weg frei.
    Und ich trat hinaus in den sonnenüberfluteten Garten, wo sich die Zen-Schüler im meditativen Bogenschießen übten, einige mit Pfeil, andere ohne. Dora war nicht in der Gruppe.
    Doch dafür ein Mann, den ich schon zweimal gesehen hatte, beim ersten Mal hatte er eine Zeitung gelesen, beim zweiten Mal unter einem Strandschirm gesessen. Jetzt hielt er einen Bogen in der Hand.
    Sätze aus dem Buch Zen in der Kunst des Bogenschießens fielen mir ein: »Denken Sie nicht an das, was Sie zu tun haben, überlegen Sie nicht, wie es auszuführen sei! Der Schuss wird nur dann glatt, wenn er den Schützen selbst überrascht.«
    Noch fünfzig Schritte bis zu dem Eisentor.
    Ich spürte ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern; ganz sicher waren das die Blicke von Frau Felicitas Hagen-Anglassa und ihrem schwarzen Gesellen.
    31.
    Die große Mittagshitze war vorbei. Eine sanfte Brise strich über das ausgedörrte Land und ein weiches, gelbes Licht fiel auf Pinien, Buschwerk und Natursteinmauern. Unter den Feigenbäumen, die mit ihren abgestützten Ästen wie riesige aufgespannte Schirme aussahen, lagen Schafe und Ziegen.
    Abseits der Asphaltstraßen war Ibiza immer noch ein bäuerliches Land.
    Hinter San Juan war ich in einen Feldweg eingebogen.
    Inzwischen kannte ich die Insel gut genug, um mir Umwege leisten zu können. Auch hatte ich keine Eile. Ich fuhr langsam, ließ den Fahrtwind in mein Gesicht fächeln und hielt Ausschau nach den Eidechsen, die vor mir den Weg kreuzten. Um sie nicht zu gefährden, wich ich zur Straßenmitte aus. Denn mir war aufgefallen, dass die Minisaurier bei Gefahr immer zum Wegesrand zurückschwänzelten.
    Ich war nicht völlig allein auf weiter Flur. Ein Pärchen mit Wanderschuhen, Rucksack und verschwitzten Gesichtern kam mir entgegen. Sie nickten mir zu. Ich nahm das Gas noch etwas mehr zurück, um sie nicht in Staub zu hüllen. Als ich mich nach ihnen umdrehte, bemerkte ich, dass ein anderes Motorrad heranpreschte. Dem Klang nach und wie der Fahrer die Gänge ins Getriebe hieb, war es eine Harley-Davidson.
    Motorrollerfahrer, die während der Fahrt ins Handy sprachen, hatte ich schon häufig gesehen, auch schwere Maschinen mit Lautsprechern, aus denen Musik von Steppenwolf dröhnte.
    Dass auf dem Sozius der Maschine, die mich jetzt überholte, jemand saß und die Zeitung las, ließ mich schmunzeln.
    Nicht lange. Denn plötzlich flatterten mir die Zeitungsblätter entgegen; sie legten sich um die Lampe meiner Maschine und klebten mir, vom Fahrtwind angepresst, an Brust und Beinen.
    Bei dem Versuch, die fliegenden Seiten abzustreifen, konnte ich nur mit Mühe einer Trockenmauer ausweichen, die den Weg begrenzte. Ich brachte das Motorrad vom Straßenrand weg und gab wieder Gas. Im Gelände ist die leichte Yamaha 250 der Harley überlegen. Das würde ich dem Kerl da vorne beweisen. Und seinem Klammeräffchen auf dem Sozius, der Figur nach musste es sich um eine Frau handeln.
    Ein Blick in den Rückspiegel sagte mir, dass die fliegenden Seiten kein Versehen gewesen waren. Hinter mir näherten sich drei weitere Maschinen.
    Mir blieb nur die Flucht nach vorn.
    Als ich die beiden Zeitungsverteiler überholen wollte, klatschte mir eine aufgeschlagene Seite gegen den Helm und nahm mir die Sicht. Ich kam ins Schleudern und konnte die Maschine gerade eben abfangen. Noch bevor ich mich von den Scheuklappen aus Zeitungspapier befreit hatte, war mir klar, dass es nun ernst wurde. Denn die Verfolger hatten mich bereits eingekreist.
    Es waren vier Männer und die Frau vom Sozius.
    »Na, Alter, Schwierigkeiten mit deinem japanischen Joghurtbecher?«, fragte einer. In vorgetäuschter Teilnahme strich er sich über seinen langen Bart, der die gleiche Graubraunfärbung hatte wie seine Locken, die unter einem mattschwarzen Stahlhelm hervorwucherten. Seine Kumpane, ausstaffiert mit bestickten Jeanswesten und Lederjacken, kicherten.

»Bin ganz zufrieden. Aber was kann ich für Sie tun, den ADAC rufen, dass er ein neues Getriebe bringt?« Harley-Fahrer haben es nicht gern, wenn

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