Der Bienenfresser
ein Beispiel dafür zu sein, dass Zen-Schüler sich durch kritiklose Verehrung für ihren Lehrer auszeichnen.«
»Ich wundere mich doch sehr, dass Don Jaime, bei dem ich mich nach Ihnen erkundigt habe, für Sie gebürgt hat.«
Darüber wunderte ich mich zunächst auch. Doch dann erinnerte ich mich wieder, dass mein dicker Reisepartner aus dem Flugzeug einen gewissen Don Jaime erwähnt hatte, dem die Villa gehörte, in dem der Dicke seine Ferien verbrachte.
»Bürgen, verehrte Frau Hagen-Anglassa, da fällt mir ein, wir hatten eben über meine finanziellen Verhältnisse gesprochen.
Und jetzt überlege ich, wer Doras Aufenthalt hier finanziert –
sie selber mit ihrer Abfindung von der Flamingo-Charter?
Oder gibt es jemand anderen, der Ihnen Geld gibt, damit Sie dieses unglückliche Geschöpf von der Außenwelt
abschirmen?«
Ihre Augen funkelten. »Erlauben Sie mal! Sind Sie etwa ein Verwandter?«
»Nein, nur ein Suchender, ich erwähnte es bereits«, sagte ich salbungsvoll.
»Sie haben sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen in unser Haus geschlichen, eine verabscheuungswürdige Tat.«
»Heißt es nicht, der Gläubige solle vom Wasser lernen, das überall einsickernd den Weg des geringsten Widerstandes geht? Soll er nicht biegsam sein wie das Bambusrohr…?«
»Raus!«
»Ich gehe. Nur noch eine Kleinigkeit.« Ich zückte meine Minox. Ohne durch den Sucher zu blicken, nach Art der Lomographen, brachte ich den Apparat auf Hüfthöhe in Position und betätigte den Auslöser. Einmal. Und noch einmal, bevor Frau Hagen-Anglassa mir in den Arm fallen konnte.
Kein Blitz, kein Einstellen, nur ein lichtempfindlicher Film.
Hier ging es nicht um gute Aufnahmen, ich brauchte die Fotos als Nachweis für meine Arbeit. In solchen Dingen war meine Ex so unnachgiebig wie alle anderen Klienten, ohne Nachweise kein Honorar. Klick. Klick.
Meine Aufgabe war erledigt. Dora lebte, Dora ging es gut.
Dass sie auf einem esoterischen Trip war und von einem weiblichen Guru gelenkt wurde, war nicht meine Sache. Elmar Mogge, private Ermittlungen stand auf meinen Visitenkarten –
nicht Elmar Mogge, Sektenbeauftragter.
Nachdem ich die Kamera in den Weiten meiner neuen Kleidung verstaut hatte, schritt ich über die blitzblanken Terrakottakacheln in Richtung Ausgang.
Frau Felicitas hatte nicht gerufen und auch kein Glöckchen geschwungen. Funk oder telepathische Kräfte, das war hier die Frage. Denn der kurz zuvor noch weit offene Türbogen wurde jetzt von einem Mann blockiert, dessen Schultern den Ausgang so füllten, dass von dort kaum mehr Licht hereindrang. Das schwarze Trikot passte nicht zur weißen Umgebung, aber zu seinen schwarzen Strumpfhosen, den schwarz gelackten Haaren und dem Granitkopf.
»Darf ich mal vorbei? Ganz nebenbei, Sie haben die ideale Smoking-Figur.«
»Versprühen Sie nicht unnütz Ihren Charme, er versteht Sie nicht«, sagte Frau Felicitas hinter mir.
»Vielleicht sollte ich ihm in dem Fall einen international verständlichen Tritt in die ›cojones‹ geben, damit er mich rauslässt.«
»Versuchen Sie’s! Ich glaube, er wartet nur darauf. Und darauf, dass Sie ihm den Film aushändigen. Wir mögen keine Fotos, sie rauben unseren Schülern die Seele.«
»Interessante Theorie. Aber ich glaube, dass dies eine Sache zwischen Dora und mir ist; ich meine, was das Recht am eigenen Bild angeht.«
Der Schwarzgekleidete wippte auf den Fußballen, sein Gesicht bekam einen lauernden Ausdruck. Felicitas gab ihm einen Wink. Er fasste meine rechte Schulter und drückte zu, sehr langsam, sehr kraftvoll. Dass er es nicht hastig tat, sprach für sein Selbstvertrauen. Ich hob mein Knie, überhaupt nicht langsam, im Gegenteil, ich versuchte es äußerst ruckartig dort zu platzieren, wo es schmerzhaft ist. Doch er wich aus, schnell wie eine Katze, griff mit der anderen Hand meine linke Schulter und hielt mich auf Abstand, einfach so. Seine Finger krallten sich um mein Schlüsselbein, er begann, meine Muskeln zu bearbeiten, ein guter Masseur, der genau wusste, wo es wehtat.
Durch die Woge von Schmerz, die mich überrollte, hörte ich Frau Felicitas dozieren: »Das Glück liegt im Loslassen, Herr von und zu Schlömm. Festhalten schafft Leid.«
Der Punkt ging an sie. Doch zu schnell durfte ich nicht nachgeben, das würde sie misstrauisch machen.
»Überredet!«, presste ich beim nächsten Zupacken hervor.
»Sind ja doch nur Fotos.«
Der Schwarzgekleidete gab meine Schulter frei. Sie fühlte sich taub an. Die
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