Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
man über ihre antiquierten Maschinen spottet. Prompt stieg der Graue aus dem Sattel. Er fuhr eine dieser Harleys mit kunstvoll lackiertem Tank und vielen Chromteilen, von den Fußstützen, wo der lässige Biker das ausgestreckte Bein lagert, bis zum Vergaser.
    »Willste nicht ein Foto von meinem Moped machen?«, fragte der Fahrer.
    Daher wehte der Wind. Der Schwarzgekleidete vom Institut musste meinen Trick doch durchschaut und die Bande hinter mir hergeschickt haben. Sicher ging es nicht nur um die Aufnahmen, ich hatte auch seine Eitelkeit verletzt. Ein zweites Mal würde mir der Taschenspielertrick wohl nicht gelingen.
    »Ein Gruppenfoto, klar, stellt euch zusammen.«
    »Ja, warum nicht?«, sagte der graue Wolf. »Aber vorher trinken wir was.«
    »Und dann wir spielen mit ihm Blindekuh«, begeisterte sich ein Jugendlicher, dem Akzent nach ein Engländer.
    »Oder wir machen das Flaschenspiel«, schlug ein anderer vor.
    »Das musst du ihm schon erklären«, sagte der Graue.
    »Also, hör zu, du Schwuchtel, wir trinken ein Bier und du sitzt in der Mitte.«
    »Ja«, sagte der Graue. »Du sitzt in der Mitte, und zwar auf einer Flasche. Was, Jungs?«
    Sie verstanden die Aufforderung, lachten und überboten sich in Vorschlägen, wurden regelrecht kreativ.
    »Mit dem Flaschenhals nach oben.«
    »Den wir ihm durch den schwulen Fummel stecken.«
    »Vielleicht gefällt es ihm sogar, te-te-te.«
    »He, Leute, wir sollten den Kronkorken drauflassen.«
    »Ja, das bringt’s.«
    Sie holten Bierdosen aus den Satteltaschen; eine Flasche mit Kronkorken ging von Hand zu Hand zum Anführer.
    Er kam auf mich zu. »Cerveza San Miguel – ist das deine Marke?«
    Ich wollte ihn dazu bringen, dass er sich noch weiter näherte; deshalb zog ich die Nase kraus und sagte: »Kann es sein, dass Sie Mundgeruch haben?«
    »Pass mal auf, du verfaulte Tucke.« Er riss den Verschluss der Bierdose auf, nahm einen Schluck, gurgelte und spuckte mir das lauwarme Gesöff ins Gesicht. »Riechste noch was?
    Und jetzt den Fotoapparat, Tucke! Wenn wir mit dir fertig sind, weißt du nicht mehr, ob du Männchen oder Weibchen bist. Los!«
    Ich bewegte eine Hand zur Hosentasche, die andere streckte ich ihm entgegen, wie Gerry es gemacht hatte. Um zu zeigen, dass ich keine krummen Touren vorhatte, tat ich es sehr langsam. Als sein Blick auf meine zitternden Finger fiel, griff meine Rechte blitzartig zum Stiefelschaft und ebenso schnell kam sie wieder heraus, fuhr nach oben, zum Hals des Rockers.
    Ich zog das Messer seitwärts, ein dünner roter Strich über dem Kehlkopf. Dann setzte ich die Klinge an sein Ohr.
    Die Bierdose war ihm aus der Hand geglitten, Blut sickerte vom Hals in den Jackenausschnitt. Seine langen Haare gaben meiner linken Hand einen guten Halt.
    Ich sagte: »Deine Kumpel sollen die Maschinen
    zusammenketten, zwei und zwei, und mir die Schlüssel zuwerfen. Macht einer Blödsinn, fehlt dir ein Ohr, kommt mir einer zu nahe, fehlt das andere. Muss ich erwähnen, was beim dritten Fehler passiert?«
    Das nervöse Zucken seiner Augenlider signalisierte, dass er verstanden hatte. »Tut, was er gesagt hat.«
    »Wir sind zu viert«, widersprach einer. »Wir machen ihn fertig.«
    Genau genommen waren sie zu fünft. Mit dem Mädchen, aber das zählte in ihren Kreisen wohl nicht. Als Einzige trug sie einen Sturzhelm mit verglastem Gesichtsfeld. Das Plexiglas war getönt, von ihrem Gesicht konnte ich also nichts sehen, nur kastanienbraune Haare, die auf ihre schwarze Ledermontur fielen.
    Die Jungen hatten ihre Helme abgenommen, ich prägte mir ihre Visagen ein. Als sich keiner rührte, gab ich etwas Druck auf das Messer, eine winzige Kerbe. Der Typ schrie: »Ich blute. Was steht ihr rum, das ist ein Wahnsinniger!«
    Während die Jungen noch zögerten, um sich keine Blöße zu geben, fädelte die Rockerbraut ein spiralförmiges Drahtseil durch das Hinterrad des einen Motorrads und legte es um das Vorderrad des zweiten. Die beiden anderen Maschinen standen zu weit auseinander.
    »Butscher, schieb das verfaulte Moped ran!«, befahl der Anführer dem Engländer.
    Aufreizend langsam schritt Butscher auf seine Harley zu, fasste in die Satteltasche und holte eine Kette hervor. Das Ding war knapp einen Meter lang und bestand aus großen verchromten Gliedern. Butscher musste seinen Boss falsch verstanden haben. Vielleicht wollte er auch der Held des Tages sein. Die Kette schlenkernd kam er auf mich zu. Als er auf einen Schritt heran war, schwang er das schwere Teil

Weitere Kostenlose Bücher