Der Bienenfresser
mein Schlafzimmer. Da fällt mir ein, wo ist Birgit? Drei Gläser Caipirinha und sie kann eine Menge Schaden anrichten.« Der besorgte Blick des Mannes ging zum anderen Ende des Beckens, wo eine Frau in Goldlamehosen ihre Füße ins Wasser tauchte. »Das mag Don Jaime aber gar nicht.«
»Amerikaner, pah! Wir haben fast nur ibizenkische Freunde.«
»Wir auch. Mit Pepe fischen gehen, das ist es. Dieses ewige Tratschen unter den Landsleuten! Pepe kommt morgens, dreht den Wasserhahn auf, packt um zehn sein ›bocadillo‹ aus, um zwölf geht er. Feiner Kerl, muss ihm nur mal sagen, dass er seine Zigarettenkippen nicht in den Garten werfen soll. Die Filter verrotten ja in hundert Jahren nicht.«
Ich schlenderte ins Haus, das angenehm kühl war, dank der großzügigen Verwendung von Marmor und dicken
Natursteinen. Den Mittelpunkt bildete eine riesige Halle, von der sternförmig die übrigen Räume abzweigten, die Bäder, die Küche, die Gästezimmer und wohl auch das Schlafgemach des Hausherrn; die Verbindung zu dem Haremshäuschen stellte ich mir wie einen Löwentunnel in der Manege vor. Die Haupthalle hatte statt Türen nur Torbogen, es fehlten Schränke, Tische und jegliche Protzgegenstände. Biblische Strenge. Als einziger Schmuck hingen großformatige Fotografien an den Wänden.
Kein Fernseher, keine Musikanlage, nur ein paar Korbstühle, die bequem aussahen. In einem davon saß die Frau im Glitzerkleid, sie hatte die Beine übereinander geschlagen und rauchte. Ihr ausgestreckter Fuß wies auf eines der Schwarz
Weiß-Fotos, denen ich mich soeben näherte.
»Tres sillas«, sagte sie.
Es war eine auffallend melodische Stimme, für einen Mann war sie etwas feminin, für eine Frau ziemlich maskulin.
Dasselbe konnte man auch über ihre Beine und die langen, schlanken Hände sagen.
»Tres sillas«, wiederholte sie. »Drei Stühle, so heißt das Bild von Raoul Hausmann.«
»Ah ja.«
»Hat Anfang der dreißiger Jahre auf Ibiza gelebt, in einer Finca ganz in der Nähe, vielleicht spukt sein Geist hier noch umher. Lachen Sie nicht! Ich kenne einen alten Engländer, der jede Nacht mit einem deutschen Spion kämpft. Er wirft mit dem Kopfkissen nach dem nächtlichen Besucher, doch das Kissen geht durch den Astralkörper so wusch hindurch.«
Sie schnippte die Asche in eine kleine, mit Steinen besetzte Dose, die sie auf ihrem Knie balancierte. »Sind Sie auch auf der Flucht vor der Thymian-Fraktion? Im Winter muss man auf den Terrassen rauchen, im Sommer in den Häusern.«
»Eine Inselvorschrift?«
»Könnte man sagen. Kaum steckt man sich mal ein Stäbchen an, ruft irgend so ein Schwachkopf, er sei hier, um den Duft von Thymian und Rosmarin zu genießen. Wo kommen Sie her?«
»Ruhrgebiet.«
»Wie schön!«
»Ja, freies Raucherland.«
»Welches Sternzeichen sind Sie?«
»Schütze«, antwortete ich leicht abwesend. Ich stellte mir ihren Körper in Motorradkleidung vor. »Kann es sein, dass ich Sie schon einmal getroffen habe, ich meine, dass wir uns begegnet sind?«
»Vielleicht in einem früheren Leben«, sagte sie und legte ihr Kinn in die rechte Hand. »Im alten Ägypten war ich eine Katze, im frühen Mittelalter eine Magd, zur Zeit der Inquisition dann eine Hexe, die verbrannt wurde. Und Sie?«
»Ein Wasserfloh, von Anbeginn, ich komme da einfach nicht raus.«
»Ihr Karma.« Sie zuckte die Achseln, zerrieb die Kippe in dem Handascher und stand auf. Sie hatte rot gefärbtes Haar und für ihre Größe einen recht anmutigen Gang. »Ich gehe jetzt was futtern«, sagte sie über die Schulter, »mit oder ohne Wasserfloh.«
Inzwischen hatte man draußen Fackeln angezündet. Im flackernden Schein saß ein ibizenkisches Paar. Die Frau trug Tracht und schlug eine kleine Trommel, der Mann hielt eine Hand an die Stirn und trug eine Art Sprechgesang vor, der als Refrain mit einem hohen »Ay-ay-ay« endete. Da es in der Inselmundart dargeboten wurde, verstand ich kein einziges Wort und damit gehörte ich zu der Minderheit unter den Gästen, die bei den richtigen Stellen nicht auflachen und auch kein verständnisvolles »Ah« verlauten lassen konnte.
»Man nennt es ›sa cantada‹, die Texte können sowohl feinsinnig als deftig sein.« Die rothaarige Raucherin hielt jetzt ein Glas in der Linken und einen Keks in der Rechten. »Auf jeden Fall ist es immer sterbenslangweilig – die Gäste tun doch nur so, als ob es sie interessiert. Aber es wird noch schlimmer kommen. Gleich trägt Don Jaime selbst verfasste Gedichte
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