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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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zuvor
vermacht hatte, wollte er sich auf den Weg zurück nach Urbrach machen.
     
    So saß er an seinem letzten
Abend in Köln in seinem beinah leeren Haus, als es an der Tür klopfte.
     
    Die Jagd ging zu Ende …

28
     
    Die letzten Aufzeichnungen
aus Niklas’ Buch:
    ›Oh, unsere
moderne Zeit ist voller wunderbarer Erfindungen! Sogar für alte Männer wie mich,
die zu nichts mehr nütze sind und ein schwaches Gesicht haben. Daher habe ich jetzt
vom Kloster einen geschliffenen Bergkristall bekommen, der mein Augenlicht verdoppelt.
Damit fällt mir das Lesen so viel leichter. Ich bewundere dabei nicht nur die Idee,
sondern auch die Ausführung: Der Kristall ist zweigeteilt, für jedes Auge einer,
und über ein Scharnier sind beide Hälften miteinander verbunden. Diese neue Vorrichtung
wird Brille genannt. Und wie viele gute, neue Erfindungen kommt auch diese aus Italien.
Wir Deutschen sind doch arm an Erfindergeist, aber wenigstens gutes Bier haben wir
der Welt geschenkt.
    Ich bin
dankbar, dass ich so alt werden durfte. Viele Möglichkeiten hätte Gott gehabt, um
mich vorzeitig zu sich zu rufen. Zum Glück musste ich außer Worringen nie in den
Krieg ziehen, und ich habe mich sonst aus allen Raufhändeln möglichst herausgehalten;
da gab es nicht wenige in meinen Brauhäusern, wenn ich nur an den Zwerg von damals
denke. Ich bin niemals betrunken in Gefahr geraten, dass ich vom Weg abgekommen
und ertrunken wäre, wie es einige meiner Kunden erlebt haben. Auch von wilden Tieren
und Räubern wurde ich auf meinen Reisen niemals behelligt. Es erscheint mir wie
ein Wunder, ich bin jetzt beinahe achtundsiebzig Jahre alt; ein unglaubliches, gesegnetes
Alter.
    In Köln
hätte ich eigentlich sterben sollen. Zweimal ein Gottesurteil zu überstehen, gelingt
nur den Heiligen. Nachdem es aber Bernards Urteil war, glaubte ich nicht daran,
dass es ein Gottesurteil war. Zum Glück fiel mir ein, wie ich Bernard täuschen konnte.
Ich hatte in St. Gallen gesehen, wie ein Mensch auf ein vergiftetes Bier reagiert,
und vor Bernard genauso getan. Er ließ sich täuschen und trank aus Freude über den
Sieg das Teufelsbier. Gott sei seiner Seele gnädig, obwohl er bestimmt in der Hölle
brennt. Natürlich hätte es auch mich treffen können, doch ich glaube an das Gute,
und Bernard hatte diesen Sieg nicht verdient.
    Mein Leben
neigt sich dem Ende zu, ich glaube kaum, dass ich das Ende des Jahres 1326 noch
erleben werde. Ich habe, seit ich nach Urbrach zurückgekommen war, meine Erlebnisse,
Bierrezepturen und alles, was mir erinnernswert erschien, in dieses Buch eingetragen.
In den letzten Jahren haben mehrfach große Hungersnöte das ganze Land heimgesucht,
sodass vielerorts das Mälzen und Bierbrauen bei Strafandrohung verboten wurde. Ich
hoffe, dass es mit dem Bierbrauen eines Tages wieder besser wird und mein Buch eines
Tages von Nutzen sein kann.‹
     
    Niklas verwendete für die
letzten Aufzeichnungen eine Mischung aus Altdeutsch und Latein, die Handschriften
wechselten, scheinbar je nach Gesundheitszustand, zwischen gut lesbar und nur für
Experten dechiffrierbar. Einige akkurate Zeichnungen über Geräte zur Bierherstellung,
Werkzeuge, aber auch Lagepläne der Brauereien in Weihenstephan, St. Gallen, Bitburg
und Köln fertigte er an.
     
    ›Ich weiß nicht, ob mein Leben
es wert war, aufgezeichnet zu werden, aber ich habe viel gesehen und erlebt. Sollte
ich sterben, bevor ich dieses Buch zu Ende gebracht habe, schickt es bitte an meinen
alten Freund Albert ins Kloster Weihenstephan.
    Er wird
mich hoffentlich um ein paar Jahre überleben, bevor er es weiterreichen wird. Dieses
Buch soll bitte immer an einen Menschen weitergegeben werden, der vom Vorbesitzer
als würdig in der Profession des Praxators erachtet wurde. Es steckt viel Arbeit
und ein noch viel arbeitsreicheres Leben in diesem Buch.
    Mittlerweile
aber bin ich alt und müde, nur wenig macht mir wirklich Freude. So wie dieses Buch
aus Italien, welches mir Albert aus Weihenstephan zum Geschenk machte bei seinem
Besuch im Sommer. Und eine Übersetzung hat er gleich mitgebracht, denn ich bin zwar
des Lateinischen mächtig, aber dieses Italienisch ist schwer verständlich für mich.
    Meine
Augen sind so schlecht geworden, dass mir das Lesen trotz der Brille größte Mühe
bereitet, aber Bruder Rainald schickt mir bisweilen einen Novizen, der mir vorliest.
    Dieses
Buch von einem gewissen Dante Alighieri ist mir Trost und Freude zugleich. Es sorgt
bestimmt für große Aufregung

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