Der Bierzauberer
nur im Weg waren. Sie wurden umgerissen und zu Tode getrampelt.
»Sucht
diese brauenden Judenbengel und ihren Hexenmeister!«, rief Bernard ein ums andere
Mal.
»Schaut,
da sind auch Teufelskräuter.« Bernard nahm ein paar Kräuter, die in der Ecke lagen,
und hielt sie triumphierend nach oben. »Das bedarf wohl keines weiteren Beweises
mehr!«
Mosche
und Salomon hatten keine Chance. Sie wurden vom Mob ergriffen und geschlagen. Mosche
landete im Maischbottich und schrie vor Schmerzen, als er sich an der heißen Maische
verbrühte. Salomon wurde in den Braukessel geworfen, wo er mit einer großen Holzgabel
heruntergedrückt wurde, bis sein Leben beendet war. Doch damit war seine Folter
noch nicht beendet. Die nun vollends Rasenden rissen seinen aufgeblähten, roten,
verbrannten Körper in Stücke und stießen triumphierende, tierähnliche Schreie aus.
Dann wurde
der halbtote Mosche aus dem Maischbottich gezogen und am Kühlschiff festgebunden.
Bodo und
Bernard durchsuchten das Haus, konnten aber weder Niklas noch Margarete finden,
die sich sowieso nur selten hier aufgehalten hatte.
»Warte
nur, Niklas, wir werden dich finden und zur Rede stellen!«, schrien beide laut durch
das Brauhaus, blind vor Hass.
Zum Abschluss
wurde die Brauerei in Brand gesteckt, Mosche verbrannte bei lebendigem Leib.
Nachdem
der Mob abgezogen war, versuchten die Nachbarn, das Feuer zu löschen. Die Wohnungen
konnten zwar gerettet werden, für Mosche und das Brauhaus kam jedoch jede Hilfe
zu spät.
Als Niklas drei Wochen später
aus London zurückkehrte, stand er vor den Trümmern seiner Brauerei. Die Überreste
von Mosche und Salomon waren bereits beerdigt worden. Jetzt hatte er niemanden mehr
außer Margarete. Agnes war im Kloster, Maria und Matthias in Melaten, Mosche und
Salomon waren tot.
So schnell,
wie der Pöbel sich erhoben hatte, so schnell hatte sich der Aufruhr auch wieder
gelegt. Margaretes Brauhaus lag zu weit abseits für einen direkten Angriff, und
nach der Zerstörung von Niklas’ Brauhaus hatten sich die Übeltäter schnell verstreut.
Der Spuk war plötzlich vorüber und niemand wollte dabei gewesen sein. Der Magistrat,
die Richerzeche wie auch die anderen Adligen der Stadt hielten sich sehr zurück,
sowohl mit Schuldzuweisungen als auch mit sonstigen Äußerungen über Strafen und
eventuelle Entschädigungen. Man ging schnell wieder zur Tagesordnung über, obwohl
es unter der Oberfläche weiter brodelte.
Für Niklas war jetzt alles
vorbei. Die Trauer fraß ihn von innen auf, er wollte nicht mehr, hatte keine Kraft
mehr für noch einen Neuanfang. Er war jetzt zweiundsechzig Jahre alt, hatte in drei
Klöstern als Brauer gearbeitet, in Regensburg die Brauerei geleitet sowie zweimal
eigene Brauereien besessen. Trotz der Zerstörung der Kölner Brauerei war er ein
wohlhabender Mann, das Geschäft mit der Hanse hatte ihm zusätzlichen Reichtum beschert.
Er hatte mehr erlebt als die meisten Menschen seiner Zeit und war viel älter geworden
als der Durchschnitt. Er hatte auch mehr Elend, Gewalt und Tod gesehen als die meisten
Menschen.
Was sollte
er mit seiner restlichen Lebenszeit anfangen wollen?
Den Sommer verbrachte er damit,
seine Reichtümer zu sichten, das Haus in der Großen Budengasse zu verkaufen. Er
machte alles zu Geld, was er besaß. Er löste seine Konten in Lübeck, Brügge und
London auf. Dann schickte er Nachricht nach Urbrach und bat, ob er dort, natürlich
gegen angemessene Bezahlung, seinen Lebensabend verbringen könnte. Man erinnerte
sich an ihn – seit er fort war, hatte es dort keinen besseren Brauer mehr gegeben
– und hieß ihn willkommen.
Von seinen Reichtümern vermachte
er ein Viertel dem Leprosorium Melaten und ein weiteres Viertel dem Kloster Ebstorf.
Damit war sichergestellt, dass seine Familie gut versorgt wurde.
Der Abschied von Margarete
war schmerzhaft und tränenreich. Er schenkte ihr einige Rezepturen, darunter die
des Waldmeisterbiers der Schlacht von Worringen, nicht ahnend, dass Margarete damit
in den nächsten Jahren ein Vermögen verdienen würde.
Er verabschiedete
sich von Küpper und Strötgen sowie der Braxatrice Emma. Alle drei bedauerten Niklas’
Fortgang.
Sie hatten
ihn auch nach dem Pogrom als Erste besucht und ihm Hilfe angeboten.
Brauberger
ließ er seine Rezepturen für das englische Bier zukommen und grüßte ihn herzlich.
Mit den wenigen übrig gebliebenen
Gütern, darunter das Buch, welches ihm der Molinarius Heinrich fast 40 Jahre
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