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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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unter den Menschen. Zu lesen und zu hören, wie schlechte
Menschen im ›Inferno‹ leiden und die Guten im ›Paradiso‹ belohnt werden, das ist
großartig; ich erhoffe mir das Paradiso, sogar, wenn ich vorher im ›Purgatorio‹
geläutert werden muss.
    Ich bin
jetzt immer noch stolz auf das Wissen, welches ich mir angeeignet habe, doch der
Stolz ist verachtenswert und meine schlimmste Sünde. Ich würde in den dritten Kreis
des Purgatorios gehören, Lasten sollen auf mir liegen, bis ich geläutert bin.
    Mein alter
Kunde, Papst Nikolaus IV., würde eigentlich ins Inferno gehören, ich finde ihn jedoch
nicht im achten Kreis der Hölle, wo die Lügner und Zwietrachtstifter sind.
    Dafür
hat Dante einen seiner Vorgänger, Nikolaus III., wegen seines unerträglichen Nepotismus
schwer gestraft:
     
    ›Aus jedem
Schlunde sah man aufwärts ragen
    Die Füße
und die Beine eines Sünders
    Bis zu
den Waden, und der Rest war drinnen.
    An allen
diesen brannten beide Sohlen,
    Weshalb
so heftig die Gelenke zuckten,
    dass sie
ein jedes Tau zerrissen hätten,
    Wie sonst,
wenn fettgetränkte Stoffe brennen,
    die Flammen
auf dem höchsten Ende zucken,
    So ging’s
hier von den Fersen zu den Zehen.‹
     
    Ach, wenn ich könnte, ich
würde diesem Herrn Dante schreiben, in welchen Kreis oder Hof der Hölle ich die
falschen, die unreinen und unehrlichen Brauer stecken würde.
    Sie würden
überall hingehören:
    Die mit
dem Malz geizen in den vierten Kreis zum Schleppen schwerer Lasten.
    In glühende
Särge im sechsten Kreis die, die ihre Arbeit nicht Gott widmen und ihn verleugnen.
    Die das
Bier zu teuer verkaufen, in den siebten Kreis, sitzend im Feuerregen mit den anderen
Wucherern.
    In den
achten Kreis die Betrüger: Die Heuchler, die ein Bier besser preisen, als es ist,
gehören in die vergoldeten Bleimäntel.
    Die Diebe,
die ihre Kunden bestehlen, indem sie ihnen zu geringe Mengen an Bier verkaufen,
sollen in Schlangen verwandelt werden.
    Und ekelhafte
Krankheiten für die Brauer, die wissentlich schlechtes Bier machen.
    Und die
allerschlimmsten Qualen, für die Verräter in der untersten Hölle, sollten für die
Brauer bestimmt sein, die ihre Heimat in Verruf bringen mit ihrem Gebräu. Die Verräter
an der Heimat friert der Herr Dante bis zum Hals ein.
    Und zu
den Verrätern und Lügnern gehört natürlich auch meine Nemesis, Bernard von Dauerling.
Ein Verräter an seinen Freunden, an seinem Glauben, an seinem Orden. Und gleich,
ob er friert oder im Höllenfeuer brennt, ich kann nicht leugnen, dass mir diese
Vorstellung ein gewisses Vergnügen bereitet. Doch das sind wohl mehr die wunderlichen
Gedanken eines alten Mannes, der viel gesehen hat und dessen Leben sich dem Ende
zuneigt.
     
    Gestern Morgen habe ich wieder
einmal das Schauspiel sehen können, wie die Sonne sich total verfinsterte. Ich weiß
immer noch nicht, ob es ein gutes oder schlechtes Vorzeichen ist. Ich wurde ja angeblich
während einer Sonnenfinsternis geboren, eine andere aber war der Auslöser für den
Tod von Mosche und Salomon und die Zerstörung meines Brauhauses. Auch wenn es ein
ungutes Zeichen ist: Ich habe keine Furcht mehr vor dem Tod. Vor ein paar Tagen
habe ich die Nachricht erhalten, dass Maria nun aus Melaten heimgegangen ist in
die Ewigkeit, wie ich hoffe. Sie wird wohl mit Matthias Friedrich auf mich warten.
Und wir werden gemeinsam Agnes Maria erwarten, wiewohl dies hoffentlich dauern wird.
    Ich fühle,
dass der Vogel Caladrius schon auf mir sitzt. Diesmal wird er seinen Blick abwenden
und mich in den Tod schicken. Ich spüre es. Aber wenn es nach dem Vers ›Am jüngsten
Tage wird geschaut, was mancher für ein Bier gebraut‹ zugeht, dann schneide ich
hoffentlich nicht zu schlecht ab. Ich habe mich im Kampf zwischen Gut und Böse auf
die Seite der Guten geschlagen und hoffe, dass ich als guter Kämpfer anerkannt werde.
     
    Wäre ich jünger, ich wüsste
mir zu helfen. Der Geschlechtsverkehr, Bäder und das Trinken stark gewürzter Getränke
werden in dem Buch ›Secretum Secretorum‹, aus welchem Bruder Rainald seine Behandlungsmethoden
für mich aussucht, immer wieder angepriesen. Nur für das meiste, besonders für den
Verkehr, bin ich zu alt. Alles wäre mir lieber als das, was jetzt wieder kommt.
Gleich wird wieder Bruder Rainald kommen mit seiner Medizin und seine probatesten
Methoden an mir anwenden. Ich hasse es, doch anscheinend ist diese Mischung aus
Erbrechen, Aderlass und Klistier die einzige Möglichkeit, meinen alten,

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