Der Bierzauberer
sich mit Ansgar zerstritten und war voller
Zorn von Urbrach weg nach Augsburg gegangen. Dort hatte er sich dem Dominikanerkonvent
angeschlossen.
11
Monate gingen ins Land. Das Kloster und die Brauerei
florierten. Die Brüder arbeiteten hart, immer gab es etwas zu bauen, zu erneuern
oder zu reparieren. Niklas empfand einen Stolz für ›seine‹ Brauerei und seine Arbeit,
den er noch niemals zuvor verspürt hatte.
Sogar,
wenn es hin und wieder einen Hinweis von oben gab, sich etwas weniger profan zu
geben und Demut, Gottesfurcht und das Geistige mehr zu achten: Nicht einmal in den
besten Tagen in Urbrach hatte er sich so wohl dabei gefühlt, für die Herstellung
der Klosterbiere verantwortlich zu sein. Hauptverantwortlicher war nach wie vor
Bruder Peter, aber Niklas wurde inoffiziell von den meisten bereits als Vorsteher
der Brauerei angesehen.
Peter
war in den letzten zwei Jahren zusehends gealtert und so vergesslich geworden, dass
er regelrecht vertrottelt wirkte. Manchmal braute er gute Biere und dann gab es
Tage, an denen er alles bei seiner Rezeptur verwechselte und die erstaunlichsten
Geschmacksfehler produzierte.
Erst vor
Kurzem hatte er wieder einmal ein Bier mit Koriander gebraut. Allerdings hatte er
dieses Mal statt der Früchte die Blätter mitgekocht. Das Ergebnis war verheerend.
Während einige Brüder schimpften, das Bier schmecke und rieche nach Seife, wusste
Niklas auf einmal, woher der Koriander seinen Namen hatte und warum er auch Stinkdill
oder Wanzenkraut genannt wurde. Das Bier schmeckte nämlich nach zerquetschten Wanzen.
Und aus dem griechischen Wort ›Coris‹ für Wanze war der Name Koriander entstanden.
Weil Peter
aber seinen Frieden mit Niklas gemacht hatte und neidlos anerkannte, dass dieser
der bessere Brauer war, kam es zu keinerlei Auseinandersetzungen.
Beide
brauten nebeneinander her und Niklas musste manchmal Albert zurücknehmen, wenn dieser
sich über Peter lustig machen wollte.
Alles lief reibungslos im
Kloster Weihenstephan, bis zum Jahr 1270. Es hatte seit Jahren keine Katastrophen
mehr gegeben, die letzte Missernte lag auch immerhin drei Jahre zurück und alle
waren zufrieden ob der blühenden Aussichten.
Wenn es
Schwierigkeiten gab, dann waren diese eher von geringerer bis teilweise eigentlich
belustigender Natur. Ein Problem war zum Beispiel seit einigen Monaten die ständige
Überfüllung des Klosterlazaretts. Dies hatte aber nichts mit Seuchen oder größerer
Krankheitsanfälligkeit der Weihenstephaner Brüder zu tun. Es hing vielmehr zusammen
mit den strengen Regeln des heiligen Benedikt hinsichtlich des Fleisch- und Wurstverzehrs.
Benedikt hatte vorgeschrieben, dass nur Kranke und Schwache zur Stärkung Fleisch
essen dürfen.
Und seitdem
das Kloster einen neuen Koch hatte, der nicht nur Fleisch gut zubereiten konnte,
sondern sogar eine neue Art von Wurst, quoll das Lazarett geradezu über vor Patienten.
Arnold
verfügte daraufhin, dass es von der Regel des Benedikt Ausnahmen geben sollte und
es an bestimmten Tagen auch für gesunde Brüder erlaubt sein sollte, Fleisch und
Wurst zu essen.
Besonders
die neue Wurst, in der sich alle Fleischreste wiederfanden, die nicht an die Schweine
verfüttert wurden, hatte es allen angetan. Erfunden in Mittelitalien vor 300 Jahren,
war die Mortadella genannte Wurst mittlerweile auch in den Klosterküchen vertreten.
Alle freuten
sich über Arnolds Verfügung, und das Lazarett leerte sich langsam wieder.
Die Septembernacht 1270 war
lau, obwohl der Herbst weit vorangeschritten war in Niklas’ viertem Jahr in Weihenstephan.
Alle hatten sich nach der Komplet schon zur Nachtruhe begeben. Auch Niklas schlief
bereits tief und fest, da wurde er höchst unsanft geweckt.
Sein Bett,
nein, der ganze Raum schwankte heftig hin und her wie ein Ochsenkarren, der mit
zu großer Geschwindigkeit über einen holperigen Feldweg gezogen wird, wie ein kleines
Boot im Sturm. Der Boden bebte und die Wände wackelten.
Aus der
Tiefe der Erde kam ein furchtbares Grollen. Es hörte sich an, als käme es aus dem
Boden direkt unter seinem Bett.
Er hatte
keine Ahnung, was da geschah, er spürte nur, dass etwas Schreckliches im Gange war.
Ohne weiter
nachzudenken, griff er nach dem Türgriff und lief hinaus. Obwohl er noch niemals
auf einem Schiff gewesen war, stellte er sich das Gehen dort ähnlich vor. Breitbeinig,
um nicht hinzufallen, ging er schnell den Gang hinunter und über eine Seitentür
hinaus in den Garten.
Neben
dem Erdbeben
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