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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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auf die Haut
durchnässte. Während er durch das Unwetter lief, um einen Platz zum Unterstellen
zu finden, zuckten die Blitze um ihn herum, der Regen prasselte und Niklas glaubte
für eine Weile, die Welt gehe unter, und fürchtete sich zu Tode. Am Wegrand sah
er sieben Kiefern stehen, die der Reihe nach immer kleiner wurden. Von der ersten,
groß gewachsenen Kiefer bis zur letzten, verkrüppelten kleinen standen sie dort,
als hätte sie eine höhere Macht mit voller Absicht in solch unterschiedlichen Stadien
des Wachstums aufgestellt. Vor der Kulisse des gewaltigen Unwetters sah es umso
mehr zum Fürchten aus. Niklas glaubte, in den Formen der Äste Hände oder gar Gesichter
zu erkennen.
    Hände,
die nach ihm griffen, Gesichter, die ihn gierig anglotzten. Einmal vermeinte er,
Bernards zornige Fratze zu entdecken. Ihm grauste davor und er sah darin ein schlechtes
Vorzeichen für seine Ankunft in St. Gallen. Aber bald fand er einen Unterstand,
und auch das schlimmste Gewitter geht irgendwann vorbei.
     
    Wie schon in Weihenstephan,
so öffnete ihm in St. Gallen das Schreiben des Abtes ebenfalls die Tür und er wurde
willkommen geheißen. Auch in der Umgebung von St. Gallen hatte es zuletzt einige
Katastrophen gegeben. Missernten und Seuchen hatten die Bevölkerung so dezimiert,
dass viele Ländereien nicht mehr ordentlich bearbeitet wurden. Überall herrschte
Mangel an Menschen, sogar im Kloster. Da freute man sich über einen gut ausgebildeten
Neuankömmling, zumal er aus den eigenen Reihen kam.
    Die nötigen
Prozeduren zu Anfang kannte Niklas ja schon: zwei Wochen Klausur, dann Einführung
ins Kloster. Die 14 Tage waren schnell vorbei, dann ging es los.
    Der zuständige
Praxator hieß Notker und war ein älterer, ungehobelter Bursche mit einem Dialekt,
von dem Niklas nicht ein Wort verstand. Seine ersten Brauer hießen David und Dieto,
sie waren um einiges besser zu verstehen und beide nur wenig älter als er.
    David
war genauso groß wie Niklas, hatte trotz seiner jungen Jahre bereits aschgraue Haare
und war am Hals durch einen großen, kugelförmigen Kropf verunstaltet.
    Dieto
war größer und zeichnete sich durch eine große Warze auf der Nase aus, die dennoch
kaum von seinen feuerroten Haaren ablenken konnte.
    Auf den
ersten Blick waren die beiden bemitleidenswert hässlich, Niklas bemerkte jedoch
schnell, dass sowohl Dieto als auch David ein gutes Herz und für ihn immer ein offenes
Ohr hatten.
    Sie zeigten
ihm die ausgedehnten Brauereianlagen. Wie der Abt Arnold gesagt hatte, gab es tatsächlich
drei Brauhäuser. Neben David und Dieto gab es noch den Brauer Reginald, ein jeder
der drei stand einem Brauhaus vor. David dem größten. Und Notker war der Vorsteher
von allem.
    Zahllose
Braugehilfen liefen fleißig herum und erzeugten eine Aura der Betriebsamkeit, die
Niklas völlig unbekannt war.
    Zum ersten
Mal sah er Zeichnungen von einer Brauerei. Er hätte niemals daran gedacht, in Urbrach
oder Weihenstephan Zeichnungen von den Gebäuden und Einrichtungen anzufertigen.
Hier herrschte ein Geist des Fortschritts, wie er ihn noch in keinem seiner vorherigen
Klöster erlebt hatte.
    Die Lagerräume
für das Getreide, daneben die Malzquetsche – Niklas fiel sofort auf, dass es hier
keine Mühle gab –, eine große Darre sowie die Kühl- und Gärräume. Und die Brauhäuser
mittendrin. Sogar die Böttcherwerkstätten waren eingezeichnet.
    Die Malzquetschen
wurden mit Wasserkraft angetrieben, was Niklas aber erst später bemerkte.
    Unter
einem Dach mit der Bierherstellung lagen hier auch die Bäckereien. Genau wie bei
den Brauhäusern gab es eine große für die Klosterbewohner und zwei kleinere für
die durchreisenden Pilger und vornehmen Besucher von außerhalb.
    Die Mälzerei
versorgte alle drei Brauereien.
    David
wies gleich drauf hin, dass neue Erfindungen in St. Gallen nicht mit Misstrauen
betrachtet oder als unsittlich empfunden wurden.
     
    Er ließ sich auch ausführlich
über die Vergangenheit des Klosters aus.
    Das St.
Galler Kloster hatte eine lange Brauergeschichte. Nicht nur Ekkehard hatte über
Bier geschrieben. Die ältesten Dokumente waren bereits fast 500 Jahre alt! Notker
zeigte Niklas über 50 Dokumente über Bier, die aus dem vorherigen Jahrtausend stammten.
Zum Beispiel hatte ein gewisser Rothpald seine Güter dem Kloster vermacht, die er
aber bis zum Tode weiter bewirtschaften würde. Im Gegenzug erhielt das Kloster für
sein Seelenheil jährlich 30 Eimer Bier als Zins.
    Dieto
und Niklas dachten

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