Der Bierzauberer
Wasser nicht halten konnte.«
Jetzt
wechselte sein Gesicht von finster auf rot.
»Und neben
mir lag ein stinkender, immer noch schlafender Ansgar und war ebenfalls nackt. Ich
weiß nicht, ob etwas Schlimmes geschehen war, jedoch das war schon genug. Ich zog
mir eine Kutte über und ging hinaus.«
Niklas
wollte etwas sagen, aber Bernard wischte mit der Hand durch die Luft und redete
weiter.
»Stunden
später kam ich wieder in meine Kammer, und Ansgar war natürlich fort. Ich habe nie
mit ihm darüber geredet. Das war der wichtigste Grund, aus Urbrach fortzugehen.
Und ich habe beschlossen, mir niemals wieder einen solchen Rausch anzutrinken. Der
Antichrist wartet nur darauf, dass wir uns mit Rausch und Völlerei selbst erniedrigen.«
Seine
Stimme wurde lauter.
»Und ich
bin bereit, dem Antichristen entgegenzutreten! Deswegen habe ich mich den Dominikanern
angeschlossen.«
Niklas
wollte das Thema wechseln, weil ihm dieses Gespräch unangenehm war, und fragte:
»Arbeitest
du etwa nicht mehr in der Backstube und erschaffst solche Köstlichkeiten wie die
Braces?«
»Nein,
ich bin jetzt auf dem Wege, ein Diener des Herrn zu werden, der mit dem Geiste arbeitet.
Ich studiere hier im Konvent Dialektik, Logik und die Geschichte der Heiligen Mutter
Kirche.«
Niklas
fühlte sich, gestählt durch die langen Gespräche mit Thomas und Albert, mutig genug,
um eine Diskussion anzuzetteln, und fragte keck, um wieder in ruhigeres Fahrwasser
zu gelangen:
»So, ein
Meister der Dialektik willst du werden. Dann sage mir bitte, welche Speise wichtiger
ist für den Menschen: die für Geist und Seele oder die für den Körper.«
Bernard
entspannte sich sichtlich, grinste und sagte:
»Nichts
leichter als das: Nur Geist und Seele unterscheiden den Menschen vom Tier. Daher
ist diese wichtiger, denn sonst wären wir keine Menschen mehr.«
Niklas
parierte:
»Aber
ohne Speise stirbt der Körper. Also ist diese wohl wichtiger.«
»Die Seele
lebt indes weiter.«
»Du kannst
sie jedoch nicht mehr mit Speisen füttern.«
Und so
ging es noch einige Zeit hin und her.
Sie suchten
sich neue Objekte, die sie nach diesem Schema miteinander vergleichen konnten.
Beim Vergleich
Bier zu Wein waren sich beide schnell einig, dass Bier der bessere Trunk sei, wie
Niklas deklamierte:
»Alleine
schon die Tatsache, dass der Heilige Vater den Genuss von Wein an Fasttagen untersagt,
den von Bier aber nicht, beweist, dass Bier nützlicher ist.«
Zum Schluss
verglichen sie noch Bier und Brot miteinander, hatten sie dazu doch sehr gegensätzliche
Ansichten.
Niklas
brachte wieder das Fastenargument, welches den Verzehr von Brot untersagte, im Gegensatz
zu Bier.
»Die Regel
›Flüssiges bricht das Fasten nicht‹ ist eine der ältesten Regeln überhaupt!«
Bernard
konterte:
»Weißt
du überhaupt, warum das so ist? Brüder früherer Generationen wollten sich vom Heiligen
Vater die Erlaubnis geben lassen, in der Fastenzeit Bier zu trinken. Um ihm einen
Eindruck vom Fastenbier zu geben und so die Erlaubnis zu erwirken, dieses für den
Verzehr im Kloster herstellen zu dürfen, füllte man ein Fässchen ab und schickte
es nach Rom. Beim Transport über die Alpen wurde es indes kräftig geschüttelt und
unter italienischer Sonne immer wieder erwärmt. So kam es Wochen später – unterdessen
sauer geworden – beim Heiligen Vater an. Der kostete vom viel gepriesenen Trunk
– fand ihn entsetzlich zum Trinken und deswegen dem Seelenheil der Brüder nicht
weiter abträglich. Also erteilte er die gewünschte Braugenehmigung. Aber nur, merk
es dir, weil das Bier so schlecht war!«
Er hob
seinen Krug und trank.
Niklas
hatte drei Krüge starken Biers getrunken, während Bernard immer noch den ersten
Krug in Händen hielt. Was er nun so, leise lachend, vor sich her sagte, sollte er
sein ganzes späteres Leben lang bereuen:
»Wir vom
Bund der ›Reinen Brauer‹ hätten dem Heiligen Vater ein Bier geschickt, das er mit
Genuss getrunken hätte. Vielleicht sogar eines mehr, als ihm gut getan hätte. Und
deswegen auch sicher für die Fastenzeit erlaubt hätte, damit man dann wenigstens
ein kleines Labsal hat.«
Ob Bernard
ihn falsch verstanden hatte oder falsch verstehen wollte, war unklar. Er erhob sich
und stemmte beide Fäuste auf den Tisch. Mit dicken Zornesadern auf der Stirn schrie
er Niklas an:
»Du wagst
es, die heilige Fastenzeit und den Heiligen Vater lächerlich zu machen! Du und deine
›Reinen Brauer‹ mit eurem Geheimzeichen. Wer ein geheimes
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