Der Bierzauberer
erreicht und Du wohlauf bist. Wir haben uns
ein wenig umgehört unter den Brauern, aber auch unter den Kaufleuten, die bei uns
einkehren. Und einer erzählte von einem Brauer Niklas von Hahnfurt, der sich jetzt
in Regensburg mit dem besten Bier hervortut.
Wir wollen
Dir nämlich berichten, was mit Reginald geschehen ist. Im Februar dieses Jahres
fehlte Reginald bei der Vesper, ich ging ihn suchen und fand ihn tot in seiner Kammer
liegen. Offensichtlich hatte er ein Gift genommen, denn seine Haut war verfärbt
und aufgequollen. Neben ihm lag ein Bogen Papier mit den Worten ›LEST MEINE AUFZEICHNUNGEN!‹.
Ich habe
dann in seiner Kammer ein Buch gefunden, in dem er seine Versuche genau aufgezeichnet
hat. Es besteht kein Zweifel, dass Reginald am Ende wahnsinnig geworden ist. Er
beschreibt in diesen Aufzeichnungen seine verzweifelte Suche nach dem ›aqua vitae
– dem endgültigen Lebenselixier‹.
Auf dieser
Suche hat er acht Menschen getötet, an denen er seine Rezepturen ausprobiert hat.
Vier dieser Morde geschahen in St. Gallen, drei davon, während Du als Brauer bei
uns warst. Eine weitere Leiche fanden wir im letzten Jahr und vier Menschen hatte
er auf seinen Reisen umgebracht.
Im Februar
hat er wohl eingesehen, dass diese Suche auf immer fruchtlos sein wird. Daraufhin
hat er sich mit einer Mixtur seiner tödlichsten Kräuter vergiftet.
Er hat
Dich mit beiliegendem Brief entlastet und bereut darin, Dich zu Unrecht bei Bernard
von Dauerling als Mörder denunziert zu haben.
Die Heilige
Inquisition ist wieder bei uns zu Gast und untersucht, ob Reginald alleine handelte
oder ob er angestiftet wurde. Bernard ist dieses Mal nicht dabei, die anderen Dominikanermönche
verbreiten hier im Kloster jedoch die gleiche düstere Stimmung. Ich werde froh sein,
wenn sie wieder abgereist sind. Ich schreibe Dir all dies, weil ich das Gefühl habe,
Du wusstest oder ahntest von Reginalds Verbrechen.
Sollten
diese mit Deinem doch ziemlich plötzlichen Abschied von uns zu tun haben, so sei
Dir versichert, dass der Weg zurück für Dich jetzt wieder offen ist. Wenn Du jemals
die Entbindung von Deinem Eid bereust, lass es mich bitte wissen. Du hast Freunde
gefunden hier in St. Gallen, die Dir zur Seite stehen, wenn Du sie benötigst.
Natürlich
hoffen wir alle hier trotzdem, dass es Dir gut geht und Du die Regensburger mit
gutem, kräftigem Bier versorgst. Unsere Brauereien florieren, obwohl wir für das
dritte Brauhaus noch immer keinen Nachfolger für Dich gefunden haben.
Notker,
David und auch ich wünschen uns, dass Deine Wege Dich wieder einmal nach Helvetien
führen und Du mit uns den einen oder anderen Krug Cervisa melitta trinken wirst.‹
Als Niklas
den anderen, kurzen Brief von Reginald las, der, um Vergebung bittend, an ihn gerichtet
war, erfuhr er zum ersten Mal von dieser Denunziation, ahnte freilich sogleich,
in welcher Gefahr er in letzter Zeit geschwebt hatte, ohne es auch nur zu ahnen.
Er beschloss, die beiden Briefe bis an sein Lebensende mit sich zu führen, da sie
einen Freibrief für seine Unschuld darstellten.
Er schrieb
sogleich zurück, bestritt dennoch nach wie vor, dass sein Abschied etwas mit Reginald
zu tun gehabt hätte. Er hatte beileibe keine Lust, noch einmal von der Heiligen
Inquisition befragt zu werden.
Maria
und Joachim erzählte er nichts von Reginald und Bernard.
Im September
des Jahres 1275 tauchte überraschend Albert aus Weihenstephan zu Besuch auf. Ohne
vorherige Nachricht oder Ankündigung stand er plötzlich im Hof der Brauerei.
Albert
durfte seine Familie besuchen und hatte beschlossen, bei dieser Gelegenheit auch
Niklas wiederzusehen.
Die beiden
fielen sich in die Arme vor Freude. Niklas gab die Arbeit, die er noch zu erledigen
hatte, gleich an die beiden jungen Brauerburschen weiter, die ihm unterstellt waren.
Er holte zwei große Krüge mit dunklem Bier und führte Albert in die Brauerstube
gleich neben dem Sudhaus.
»Na, dann
erzähl mal, wie es euch in Weihenstephan so ergeht.«
Albert
berichtete vom Neuaufbau der Brauerei. Es erfüllte Niklas mit Stolz, zu hören, dass
beim Wiederaufbau viele seiner damaligen Vorschläge umgesetzt worden waren. Sogar
eine seiner allerersten Ideen, die er vor fast 15 Jahren in Urbrach gehabt hatte,
als dort die neue Mühle installiert worden war, war teilweise beherzigt worden.
»Du hattest
mir davon erzählt«, berichtete Albert stolz. »Als du noch in Urbrach warst, hattest
du die Idee, das Getreide wie ein Molinarius mit einer
Weitere Kostenlose Bücher