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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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und sie erwähnt dabei recht häufig Sie.«
    Er spürte, wie sein Mund aufklappte. Eine Blase böser Anspannung zerplatzte in ihm, und ihr giftiger Eiter verpuffte im Licht. Die Krankheit schmollte, war vorübergehend gebändigt, ging in der Woge seiner Erleichterung unter. »Geht … geht es ihr gut?«
    »Oh ja, anscheinend schon. Es ist nur so, dass … dass sie die Kunden verängstigt, verstehen Sie?«
    Shaper lachte viel zu lang.
    Zum zweiten Mal, seit er ihr begegnet war, hatte der Regen ein Dickicht aus Marys Haaren gemacht und ließ sie in ihren Stiefeln zittern. Diesmal jedoch stand unzweifelhaft fest, dass ihr innerer Hochofen alles andere als erloschen war.
    »Das ist ein verficktes Bordell , du Arsch!«, hielt sie ihm knurrend vor, als sie sich schließlich in dem violetten Zimmer befanden. »Einer dieser … dieser Kerle hat mich angegrinst .«
    Shaper konnte nicht anders, als dasselbe zu tun. »Es sind nette Leute. Hier ist es sicher. Warum bist du nicht früher gekommen?«
    »Das ist ein verficktes Bordell! Das ist … Ich kann echt nicht glauben , dass du … Und … und ich komme bestimmt nicht jedes Mal angerannt, wenn du anrufst, weil dir … weil dir der Sinn nach Sex steht. Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Sieh mich bloß an! Ich bin in einem beschissenen Puff!«
    Kichernd ließ er sie Dampf ablassen. Auch ohne die kleinen Stahlkugellager der Heimlichtuerei, die nur er um sie rotieren sah, war offensichtlich, dass eine weit tiefer sitzende Verärgerung den wahren Kern ihrer Laune ausmachte.
    Etwas hat sich verändert.
    Schließlich wurde er ihrer Kanonade überdrüssig und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Sie verstummte und starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht«, erklärte er. »Das ist alles. Deshalb musst du hierbleiben, klar? Hier ist es sicher, bei dir nicht. Frag nicht, warum.«
    »Ich …« Sie wandte den Blick ab. Ihr Mund öffnete und schloss sich. Dann schien die Luft aus ihr zu entweichen, und sie gab sich geschlagen. »Ich wäre ja früher gekommen. Ich war sogar schon unterwegs.«
    »Aber?«
    »Na ja, ich bekam einen Anruf. Eine Lieferung zur Klinik. Ich musste dafür unterschreiben.«
    »Und du bist zurückgefahren? Mary! Genau so lockt man jemanden in eine Falle!« Glaub mir, hab ich schon gemacht . »Du musst vorsichtiger sein!«
    »Erspar mir den James-Bond-Scheiß, es war nur ein Paket.« Sie kramte in ihrer Handtasche und holte eine kleine Luftpolstertasche hervor; zugekleistert mit den Aufklebern des Kurierdienstes, aber bereits geöffnet.
    Und dann erschlaffte sie, als ob all die kopfschüttelnd demonstrierte Entrüstung und die mit vorgestrecktem Kinn gezeigte Selbstsicherheit nur Gas in einem Ballon gewesen waren, das mit einem langen Stoß pfeifend aus ihr entwich. Matt winkte sie mit dem Päckchen vor ihm und reichte es ihm.
    Darin befand sich ein Notizbuch. Alt, abgewetzt, mit schwarzem Ledereinband und einem Rücken, der an Runzeln auf einer gesprungenen Lippe erinnerte und schon beinah auseinanderfiel.
    »Ich denke, du solltest das lesen«, flüsterte sie.
    Und endlich hatte er Antworten vor sich, in Rot und Schwarz und Blau und jeder anderen Gelschreiberfarbe, die der Autor in die Hand bekommen hatte.
    Die übereinandergekritzelten Passagen zogen sich kreuz und quer über die Seiten wie die stolpernden Fußspuren einer bekifften Spinne. Der Großteil des Textes – angeordnet in Brocken aus einer oder zwei Zeilen, zusammenhanglos, ohne Syntax oder Grammatik – war zart geschrieben und enthielt etliche Wörter, die Shaper nicht kannte: Shakta, Relaxatia, Prana . Aber vereinzelt befanden sich dazwischen Passagen zornigerer Anmutung mit tief in das Papier gedrückten Buchstaben, die alles mit einer dornigen Dringlichkeit ansteckten. Auf manchen Seiten wurde der Fluss von Fremdobjekten unterbrochen – mit schwarzem Kugelschreiber gezeichnete Skizzen, unproportionale Diagramme, verworrene Zitate aus dieser oder jener Quelle.
    Gehört das Karl? , fragte er sich, als er einen Anschein von Manie entdeckte, der irgendwie vertraut wirkte. Dieser Gedanke ließ ihn beinah von dem Artefakt zurückschrecken. Aber nein, das konnte nicht stimmen. Dieser Gegenstand zeugte von einer Suche, von Nachforschungen, von einem gemeinschaftlichen Plan und nicht von der launenhaften Einsamkeit, die er mit Marys Bruder in Verbindung brachte. Zudem fiel ihm auf, dass die chaotischen Notizen planvoller wurden, je weiter er in

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