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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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eingefärbt. In der Mitte umschloss ein Quadrat einen weiteren Klecks, der vor einem chaotischen Gewirr aus Farben und Formen strotzte. Und wie zuvor: Silberbänder.
    Shaper erkannte, dass er dieselbe Zeichnung wie schon einmal vor sich hatte, diesmal jedoch aus der Vogelperspektive – die sitzende Gestalt inmitten eines Rings anderer, gefesselt an jenen verhassten Stuhl, während jeder ihrer Peiniger die Hände nach ihr ausstreckte, sie betastete, sie streichelte. Wieder senkte sich die Statik wie ein Vorhang vor seine Augen – Karls vor Schmerzen verzogenes Gesicht, die mitfühlend aufheulende Krankheit –, und er blätterte mit einem Schauder zur letzten Seite weiter, beeilte sich, den Ausbruch der Vision zu bannen, bevor sie richtig beginnen konnte.
    Auf dem letzten beschrifteten Blatt standen nur zwei Worte, weder unterstrichen noch verziert.
    Heute Nacht.
    Shaper starrte lange darauf. In ihrer schlichten Einsamkeit zogen die Worte perverse Teile auf Lücken in seinem Geist zu, um sie einzupassen und wasserdichte Verbindungen herzustellen.
    Wie hatte es Mary noch mal ausgedrückt, überlegte er, als sie zwischen zerfetztem Papier an ihrem Küchentisch saß?
    »Der Grundgedanke beim Yoga ist, diese Kraft zu erwecken   …«
    »Kundalini« hatte Mary sie genannt, daran erinnerte er sich noch. Die Schlange der Urenergie, der beschissene Gottwurm, eingerollt wie eine mystische Kackwurst im kosmischen Arsch.
    Mary hatte gesagt: » Um sie   … nacheinander durch die Chakren aufsteigen zu lassen. «
    Sie hatte gesagt: » Und wenn man es bis ganz noch oben schafft, nennt sich das Samadhi   … Im Wesentlichen ist das eine Vereinigung mit Gott. Dazu kommt man erst, wenn man ziemlich vollkommen ist. «
    Seufzend starrte Shaper auf das Notizbuch, auf jenen letzten, vernichtenden Eintrag: Heute Nacht . Allmählich begann er zu begreifen, was die Gruppe zu tun versucht hatte.
    Mary bemerkte seinen umherwandernden Blick. Sie berührte ihn am Arm, nickte Richtung Buch und sagte mit angespannter Stimme: »Sieh dir die Rückseite an.«
    Ihr Tonfall ließ ihn die Stirn runzeln. Er blätterte zur Innenseite des hinteren Buchdeckels. Dort war ein zweifach zusammengefaltetes Blatt Papier eingeklebt. Auf ihr eindringliches Nicken hin öffnete er es.
    Es handelte sich um einen Brief.

    Liebe Ajna,
    wie von dir gewünscht habe ich einen Fonds eingerichtet, der sich technisch auf den Caymaninseln befindet, auf den jedoch über verschiedene britische Anbieter zugegriffen werden kann. Er dient der autonomen Bereitstellung von Mitteln für die medizinische Behandlung und entsprechende Pflege der Versuchsperson. Wie du dir vermutlich denken kannst, wurde dies unter größter Geheimhaltung und mit äußerster Diskretion arrangiert. Der Zugriff erfolgt ausschließlich mittels eines Codes. Ich bin überzeugt davon, dass keine Beweise verblieben sind – abgesehen von diesem Brief, zu dem ich dir nahelege, ihn zu vernichten.
    Meiner Schätzung nach sollten die vorgesehenen Mittel je nach Variation der Kosten, Verfahren und dem Ansprechen der Versuchsperson für sechs bis acht Jahre reichen. Nach diesem Zeitraum fällt es in Meister Gs Ermessen, weitere Gelder bereitzustellen, bis er die Gefahren als hinlänglich gemildert ansieht.
    Die beteiligten Personen haben sich, wie besprochen, bestechen lassen, und wir können uns höchster Diskretion bei der Ausführung dieses Planes sicher sein – zumindest, bis der Fonds erschöpft ist.
    Ich betrachte die Angelegenheit damit als abgeschlossen. Wie wir gemeinsam vereinbart haben, stellen die Auflösung und das Schweigen der Gruppe die endgültigen und dauerhaften Phasen.
    Mit besten Grüßen
    MANIPURA
    »Ich verstehe«, sagte Shaper. Und mit einem leichten Anflug von Überraschung stellte er fest, dass er es ernst meinte.
    Manipura – er erinnerte sich: der Knotenpunkt am Solarplexus. Das dritte Chakra auf der Liste.
    Alice Colquhoun. Die Geschäftsfrau. Wer wäre besser als sie geeignet gewesen, so etwas zu arrangieren?
    »Und?«, fragte Mary und schlang die Arme um sich. »Was denkst du?«
    Er starrte ins Leere und spürte, wie sich das Universum rings um ihn verknotete. Unerwartet und auf irrwitzige Weise begann alles, sich zusammenzufügen.
    Sie haben jemanden genommen, der böse war, richtig?
    Sie haben jemanden genommen, der verdorben war – zumindest in ihren Augen. Jemanden, der sich nicht bessern konnte oder wollte. Jemanden, der nicht mit all diesen ernsten, nach Glückseligkeit

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