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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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besäße ›Hellsicht‹ und   … Fähigkeiten.«
    Shaper verdrehte in seinem schwarzen kleinen Gefängnis die Augen und verfluchte sich als Idioten. Er hatte gedacht, Mary wäre das Ziel. Mary mit ihrer vorgetäuschten Gabe und ihrer gespielten Hellsicht. Ajna, das Chakra des dritten Auges. Das sechste auf einer Liste von sieben.
    Das falsche Kind .
    Draußen in der schrecklichen Realität zog sich alles zusammen und wölbte sich gleichzeitig. Vicar begann, seitwärtszukippen, während Karl gurgelnd Angst und ein Gefühl des Verrats erkennen ließ.
    »Es tut mir leid …«, flüsterte das Monster. »Es tut mir leid, aber …« Die Gestalt schaute auf, drehte sich der Treppe zu. »Aber es liegt nicht an mir.«
    Und als Karl zu stöhnen begann, fiel Vicar mit einem letzten Rasseln gegen die Schranktüren, und der Lichtschlitz erlosch.
    Shapers Krankheit wurde letztlich wie eine katastrophale Eruption entfesselt, breitete sich über seine gesamte Wahrnehmung aus und ertränkte ihn vollends.
    Sein Fleisch zerbröckelte. Seine Seele verwelkte. Seine Vergangenheit kam ihm mit dem Glänzen des Auges einer Frau entgegen – erkannte seinen Verrat, sagte jedoch nichts dazu –. Als er in Bewusstlosigkeit versank, unsicher, ob er diesmal je wieder daraus auftauchen würde, folgte ihm von außerhalb seines Käfigs wie eine grausame Pointe ein einziges Wort in die Tiefe, gehaucht von einer Stimme wie aus Wasser und Wind.
    »Aum   …«
    Da waren Dunkelheit und ein Moment der Entdeckung. Da waren Aufregung und Lärm – ein Gewirr zusammenhangloser Sinneseindrücke, ein abstraktes Konstrukt von Orten und Menschen. Da waren etwas Rotes auf dem Boden, Leute in weißem Plastik und gelbe, flatternde Bänder. Da waren Fragen.
    Shaper flötete indes eine lange, abschwellende Note vor sich hin, die wie das Pfeifen einer grinsend zu Boden sausenden Atombombe klang. Eingehüllt in tausende Schichten von Teilnahmslosigkeit vermutete er, dass besagte Bombe in Wirklichkeit sein Verstand war, der endlos einen tröstlichen Brunnenschacht hinabstürzte. Wenn er wollte, konnte er sich sogar das Rund desLichts oben vorstellen, das nach und nach zu einem schwarzen Nichts entschwand. Doch selbst das erschien ihm als zu anstrengend.
    Dort oben lauerten nur böse Dinge.
    Später nahm er einen allzu grellen Ort wahr. Es roch nach Bleichmittel, und unter dem fluggeräuschähnlichen Summen von Luftventilen hörte er die fernen, tiefen Stimmen von Menschen wie Gemurmel aus einem Albtraum; ein krankes Hüsteln hinter Membranvorhängen. Jemand verband seinen Arm. Jemand in einem blauen Pullover und einer neongelben Jacke beobachtete ihn.
    Weitere Fragen. Immer und immer und immer wieder.
    Shaper fiel weiter.
    Danach folgte ein schiefergrauer Ort – dieselben Gerüche, aber ein anderes Summen. Da waren ein Tisch, zwei Stühle und ein Spiegel, der – wie ihm schwante – kein Spiegel war. Braune Flüssigkeit in Plastikbechern. Ein fetter Mann, der weitere Fragen stellte.
    Nach einigen Minuten oder vielleicht auch Stunden – oder mahlenden Epochen, in denen Massenausrottungen stattfanden und Zivilisationen erblühten – kam ein dünner Mann und verscheuchte den Fetten. Es wurde von Zuständigkeit geredet. Es wurde ein Toter erwähnt – fiel da der Name Vicar?  –, durch den die Verantwortung irgendwie an den jüngeren Mann fiel. Er besaß ein vertrautes Gesicht, das am Boden des Brunnenschachts verschwommene Assoziationen mit chinesischem Essen und getrockneten Tigern auslöste.
    Shaper zuckte mit den Schultern – komisch  – und hörte auf, darüber nachzudenken.
    Er fühlte sich wie in blutleere Zuckerwatte eingepackt, die zwar die Wahrheit verschleierte, aber grausam die Qualen und die Krankheit nach Belieben durchließ. Und er hatte Schmerzen. Jede Menge.
    Er fiel weiter.
    Mittlerweile versuchte der dünne Mann, mit ihm zu reden. Er klang freundlich, trotzdem löcherte er ihn mit Fragen. Shaper ignorierte sie.
    Dumpf erinnerte er sich an eine andere Zeit – eine andere Episode , flüsterte eine leise Stimme – wie diese. Eine Zeit der Erholung und Genesung auf Sofakissen in der Wohnung seiner Mutter und ein endloses Gefühl des Hasses, der Hilflosigkeit und der Schuld. Er erinnerte sich an die Trägheit eines Faulpelzes, die sich in seinen Muskeln ausgebreitet hatte, und fragte sich, ob all das erneut geschehen war. Während er an diesem grauen Ort saß und sich seine Eingeweide bewegten, als rase er auf einer unsichtbaren

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