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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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müßig hier zu sitzen.
    Nur   …
    Sollte er nicht irgendjemanden belauschen? Sich Grunzen und Schreien und feuchtes Schmatzen anhören?
    Es schien niemand in der Nähe zu sein, also vertrieb er sich die Zeit damit, dem Regen zuzuhören – bis auch das zu mühsam wurde und seine Gedanken abwanderten. Nach und nach beschlich ihn die träge Gewissheit, dass irgendetwas fehlte . Eshandelte sich um etwas, das in sich zu haben zu einer solchen Gewohnheit geworden war, dass er sich durch dessen Fehlen auf irgendeine Weise verringert fühlte, obwohl er vermutete, dass es sich eigentlich um etwas Schreckliches handelte, das er insgeheim immer gehasst hatte.
    Chemikalien?
    Ein weiterer abstrakter Gedanke, vertrieben von einem genervten Tadel.
    »Alles besteht aus Chemikalien«, murmelte er. »Idiot!«
    Jedenfalls ertappte er sich dabei, dem Rätsel widerwillig nachzuspüren, angespornt von einem eigenartigen Gefühl der Dringlichkeit – da ist etwas, das du tun musst! Allerdings wurde Letzteres so schnell in knittrige Seide gepackt, wie es aufgekommen war, und er ließ davon ab, interessierte sich nicht weiter dafür.
    Irgendwo begann etwas, schrill und unangenehm zu blöken. »Mitternacht« flammte dabei in seinem Hirn auf – ein seltsamer Gedanke für den helllichten Tag. Er kramte aus einer Tasche ein glänzendes schwarzes Ding aus Kunststoff und Glas hervor, das er planlos in den Händen drehte. Ohne bewusstes Zutun drückte sein Daumen durch ungebetenes Muskelgedächtnis auf eine bestimmte Taste, wodurch das nervende Geräusch verstummte. Stattdessen ertönte aus dem Nichts eine blecherne Stimme.
    Die behauptete, sie hieße Vince. Mit zweifelnd zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete Shaper das kleine Gerät und sagte: »Hi, Vince.«
    Die Stimme plapperte vor sich hin. Sie sagte etwas von den Nachrichten und dass irgendein Glas unsicher sei. Dann gähnte die Stimme laut.
    Unsicheres Glas? Die Worte schmeckten wichtig und, seltsamer noch, bewirkten etwas in Shapers Gehirn. Sie saugten ein, zwei Schichten seiner Apathie ab. Er klopfte versuchsweise mit den Knöcheln gegen die Windschutzscheibe des Vans, aber für ihn fühlte es sich durchaus sicher an.
    Die Stimme zwitscherte weiter. Sie stellte ihm Fragen, und alsShaper nicht antwortete und nur wünschte, sie möge verstummen und ihn in Ruhe lassen, da platzte sie hervor: »Ich geb dich mal weiter. Er will mit dir reden, Kumpel, okay?«
    Und dann Stille.
    Und Shaper fiel ein Stück tiefer.
    Und eine andere Stimme sagte: »Hallo.«
    Und …

Kapitel 32
    Rund drei Stunden nachdem er technisch gesehen erwacht war, erlangte Dan Shaper das Bewusstsein wieder.
    »Hallo?«, drang eine Stimme matt und besorgt an sein Ohr. »Mr. Shaper?«
    Die Stimme stieß etwas in seinem Schädel an.
    Wie ein epischer Blitz der Klarheit, der die ihn einhüllenden Wolken der Teilnahmslosigkeit durchstieß, spie sein Gehirn eine sengende Salve von Rückblenden und Analysen aus. Als das Grauen hervorströmte, überwältigte es ihn beinahe ein zweites Mal, indem es ihn mit einem Erinnerungsmosaik der langen Nacht im Schrank bombardierte: die feuchten Geräusche, das Bröckeln der Barrieren der Narkotika und vor allem die Kreatur draußen, jenes knisternde schwarze Ungeheuer, das über Karl gekauert hatte …
    Er spürte, wie er abermals unterzugehen begann, doch die Stimme, diese Stimme in seinem Ohr …
    »Mr. Shaper? Geht es Ihnen gut? Hier ist George Glass. Sind Sie da, Mr. Shaper?«
    Jene Stimme glich einem weißen Messer, einem akustischen Skalpell, das die verdorbenen Gedanken mühelos herausschnitt. Weder zerstörte es sie, noch verbannte es sie in einen chaotischen Winkel – was sein Verstand so unbeholfen versucht hatte –, nein, es entwaffnete sie und ließ sie harmlos werden.
    Die Stimme zog ihn allein durch den leichten Anflug von Anteilnahme, von Besorgnis, von Liebe in ihrem Tonfall aus dem Sumpf der Erinnerungen.
    »Ja«, sagte Shaper mit plötzlich feuchten Augen ins Telefon. »Ich bin hier.«
    »Ich brauche immer noch Ihre Hilfe, Mr. Shaper …«
    Und die Realität setzte mit solcher Wucht ein, dass ihn körperlich ein Ruck durchlief. Ohne innezuhalten, um sich den Kopf darüber zu zermartern oder darüber zu zetern, wurde ihm bewusst, dass er im Sturm der Ereignisse dieser Woche – gefördert von der endgültigen chemischen Leere in ihm – in einen genauso tiefen und dunklen Abgrund gefallen war wie damals bei jenem Zusammenbruch, der ihn vor fünf Jahren

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