Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
gesagt.«
»Ja … danke.«
»Sie wollten persönlich mit Ihnen reden, haben die gemeint. Konnten es nicht gebrauchen, dass Sie in einer Zelle sitzen.«
»Ähm … hören Sie, Mrs. S, was ist mit …«
»Die haben gesagt, das bedeutet, dass Sie mir etwas schulden.«
Er blinzelte. Schlagartig hatte ihre Stimme einen harten Klang angenommen.
Prioritäten, natürlich. All diese Quasikriminellen. Alles meine Leute, alles meine Mistkerle. Keine schlechten Menschen, kein Abschaum, nicht böse an sich, nur …
Nur sehr klare Vorstellungen davon, was am meisten zählt.
»Ja«, antwortete er seufzend und fühlte sich plötzlich müde. »Absolut. Und ich werde selbstverständlich für den gesamten Schaden aufkommen. Aber wo ist M…«
»Und die haben gesagt, das bedeutet, dass Sie ihnen auch etwas schulden.«
»Natürlich.«
Sie kratzte weiter, dann deutete sie schniefend durch den Gang zu dem einzigen Raum, der noch eine Tür besaß.
»Sie ist da drin. Es geht ihr gut.«
Shaper verschluckte sich beinah an seiner Erleichterung.
Allerdings ging es ihr nicht wirklich gut.
Mary saß eingepfercht in den rechten Winkel zwischen dem Bett und der Wand. Die Arme um die Schienbeine geschlungen spähte sie über ihre Knie, während Shaper sie musterte. Sie starrte ihn nur an.
»Geht es dir gut?«, fragte er und schloss die Tür hinter sich.
»Kein Schaden.«
Auch kein Zorn, zumindest keiner von der explosiven Sorte. In der kurzen Zeit, die Shaper sie kannte, hatte Mary auf jedes Trauma, auf jedes exhumierte Familiengeheimnis mit wechselhaften Schattierungen von Heißblütigkeit und Dramatik reagiert. Es beunruhigte ihn, sie so zu sehen, gefasst wie einen Diamanten. Und dennoch, selbst im emotionalen Bereitschaftsmodus verschlug sie ihm den Atem.
»Sie haben gesagt, sie wären Zwillinge«, murmelte sie. »Sie haben sich nicht ähnlich gesehen.«
»Nein, tun sie nicht.«
»Sie haben meine Sachen durchwühlt.« Ihr Blick wanderte zur Seite, wo der explodierte Inhalt ihrer Handtasche grob zurückgestopft worden war. Ein kleines Foto der jungen Devon-Familie – lächelnde Mutter, grinsende Kinder – lag oben auf dem Haufen.
Glücklich. Vor langer Zeit.
»Es tut mir leid«, sagte Shaper. »Es ist meine Schuld. Ich hoffe, sie haben dir keine Angst eingejagt.«
»Sie sind ziemlich sauer.« Kurz schaute sie auf. »Aber nicht auf mich.«
»Ja.«
Ihm wurde klar, dass eine seltsame Kälte vorherrschte, die tiefer reichte als die Furcht in ihren Augen. Er wartete.
»Sie haben mir erzählt, dass du sie auf Karl angesetzt hast«, sagte sie schließlich.
Ah .
Mit einem tiefen Seufzen setzte er sich auf das knarrende Bett, nah genug, um sie zu berühren – hätte er sich getraut.
»Nun …«, begann er. »Ja. Ja, ich schätze, das habe ich getan. Ich dachte, er hätte dich im Visier. Schien mir vernünftig zu sein.«
»Du hast Gangster losgeschickt, um meinen Bruder zu töten …« Sie wog die Worte ab. »Und es schien dir vernünftig zu sein.«
Er nickte nur, zu ruhig, um sich aufzuregen.
»Und was dann? Du hast sie trotzdem davon abgehalten, es zu tun? Warum?«
»Ich hatte den Falschen erwischt.«
Er spürte, wie es ihr dämmerte, und fühlte mehr, als er es sah, wie sie den Kopf drehte, um ihn von der Seite anzusehen. »Also ist Karl unschuldig?«
»Ja. Er hat nur …« Hilflos schwenkte er eine Hand. »Er hat nur versucht, jemanden zu schützen, den er geliebt hat.«
»Keiner von denen … keiner war von ihm? Er hatte nie vor, mich zu erwischen?«
»Nein.«
»Und er hat nie jemanden verletzt?«
»Nicht im eigentlichen Sinn, nein.«
Shaper konnte den von ihr ausgehenden Optimismus beinah schmecken, einen aufkeimenden Hoffnungsstrahl. Er fragte sich, wie viel die Corams gewusst hatten, als sie hier ankamen, wie viel sie ihr erzählt hatten, wie viel die Polizei in der morgendlichen Nachrichtenaussendung preisgegeben hatte.
»Also geht es ihm gut?«, fragte Mary und streckte die Hand nach ihm aus. »D-du hast die Gangster davon abgehalten, ihn zu töten? Ist mit Karl alles in Ordnung?«
Shaper schloss die Augen. Schüttelte den Kopf.
Und berichtete ihr alles, während sie in sich zusammensackte.
Er erzählte ihr von einem Mörder mit einem Plan. Von jemandem, dermaßen versklavt von Aberglauben – oder Glauben –, dass sein Streben nach einem unbekannten, verrückten Ziel einem Schachbrett glich; einem Spielbrett bevölkert von Wunderlampen, erweckten Chakren und nicht alternden Gurus.Er
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