Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
Efeu, griffen sich eine nasse Handvoll nach der anderen, und der Killer wieselte die Mauer hinunter wie ein Gecko.
Bevor Shaper nachdenken konnte, brüllte er Vince zu, auf die anderen aufzupassen, stürmte durch das Fenster hinaus und nahm kletternd die Verfolgung auf.
Das Leben ist einfach , ging es ihm durch den Kopf, wenn man etwas hat, dem man nachjagen kann .
Der Abstieg erwies sich als unsanfte, panische Angelegenheit, als unendlich hinausgezögerter Absturz. Shapers Hände brannten durch die Reibung der glitschigen Blätter, die bei jedem plumpen Zentimeter, den er sich vorwärtskämpfte, abbrachen und durch seine Finger rutschten. In irgendeiner ungewissen Phase hielt er kurz inne, um die Beine nach unten zu schwingen, bevor sein Kopf durch das darin angesammelte Blut platzen konnte.
Bei einem flüchtigen Blick durch den Efeuschleier vermeinteer zu sehen, wie sich etwas Riesiges und Glänzendes, das wie die Schale eines gewaltigen Käfers anmutete, am fernen Knick der Zufahrt bewegte. Allerdings schien ihm das inmitten der Hektik der Verfolgungsjagd doch ein zweifelhafter Eindruck zu sein – der verschwunden war, als er abermals hinschaute. Und als er die raschelnden Geräusche des Abstiegs des Killers unter sich wahrnahm, widmete er sich schleunigst wieder der anstehenden Aufgabe, löste seinen Halt und ließ sich von der Schwerkraft durch das Blätterwerk saugen.
Ich falle immer noch. Ich falle ständig.
Er hielt ein irres Lachen zurück, während es noch in seiner Kehle brodelte, und konzentrierte sich darauf, sich nicht den Hals zu brechen.
Am Boden der Ranken sichtete er die zerlumpte Gestalt, die über den Rasen hetzte, und stürzte sich in die Verfolgung, das gedämpfte Gebrüll vom Fenster hinter ihm ignorierend. Tal, der in sein Funkgerät schrie.
Zu spät, Kumpel .
Shaper rannte über schlammiges Gras und die vom Wetter gezeichnete Zufahrt. Sein Mantel flatterte dabei wie nasse Flügel. Die Augen kniff er behutsam gegen den dornigen Regen zusammen – mächtige Wirbel zyklonenartiger Geometrie umgaben ihn –, während seine Füße unablässig über schmierige Blätter und matschige Kaninchenbaue rutschten.
Schnapp ihn!
Die Gestalt verschwand zwischen glitzernden Büschen, deren wackelnde Zweige ihren Weg kennzeichneten. Shaper schlug sich den Weg durch waldiges Gestrüpp, biss die Zähne zusammen, achtete auf einen möglichen Hinterhalt, war jedoch zu sehr von Adrenalin getrieben, um die Schritte zu verlangsamen.
Keine Waffen, Kumpel. Spielt keine Rolle.
Allmählich schwand das Licht, da das Ockergelb der Wolframlampen der Villa nicht so weit ins Unterholz drang – und mit ihm schwanden auch die Aufwallungen seines Blutes. In der feuchtenDüsternis verbrachte er lange Momente damit, nach Bewegung Ausschau zu halten. Jeder flüchtig erhaschte Eindruck eines rennenden Stiefels erweckte das Knistern kurzzeitig zu neuem Leben, jeder fragwürdige Umriss schürte die Glut seiner Erregung. Und seiner Angst.
Im Geäst über ihm flatterten nasse, mürrische Kreaturen, deren Schlaf gestört worden war. Shaper schenkte ihnen keine Beachtung, erwehrte sich der Eindrücke ledriger Wasserspeier und zischender Dämonen, die sie heraufzubeschwören drohten, und kam schließlich schlitternd im schlammigen Humus am Ufer des Sees zum Stehen, unverhofft und atemberaubend unter freiem Himmel. Er fühlte sich, als hätte ihn die plötzliche Leere der letzten Reste seiner Wut und seines Mutes beraubt – eine esoterische Dekompression –, und die darunter lauernde Erkenntnis wurde nach und nach klarer.
Du hast ihn verloren .
Keuchend, jede Zigarette verfluchend, die er je als seine Letzte bezeichnet hatte, wendete er und schleppte sich am Rand des Wassers entlang. Er hielt grob auf die Villa zu, beschrieb jedoch einen großen Bogen, weil er vage hoffte, vielleicht doch noch den Weg des Killers zu kreuzen.
Was er genauso sehr fürchtete, wie er es hoffte.
Während er ging und seine Gedanken unter dem schleichenden Einsickern von Angst abdrifteten, wurden ihm langsam kantigere, weniger organische Formen zwischen dem Unterholz bewusst. Jede glatte, moosüberwucherte Steinfläche präsentierte einen kontrastreichen Klumpen säulenförmiger, sinnloser Kunst. Er passierte Pagoden unter neidischen Eichen, umgestürzte Büsten, die mit toten Augen entrüstet auf die Sockel starrten, auf denen sie einst gestanden hatten, und, hinter einem Ulmendickicht, eine eigenartige, aus dem Schlamm ragende Kuppel,
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