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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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sich die Zeit zu vertreiben.
    Vor dem Fenster flatterten die obersten, über den Sims ragenden Ranken des Efeus, der die Seiten der Villa bedeckte, in böigen Wirbeln und tippten leise gegen die Scheibe. Vince rührte sichbei dem Geräusch und warf Shaper einen verschlafenen Blick zu.
    »Weißt du noch, was du vorhin gesagt hast?«, nuschelte er. »Dass du … dankbar für die Unterstützung bist? Und so weiter?«
    Shaper verdrehte die Augen. »Du willst eine Gefahrenzulage, richtig? Wie viel?«
    »Was? Nein, ich … Du wirst doch Tal gegenüber nichts erwähnen, oder? Über … na ja, du weißt schon. Oder?« Vince nickte in die Dunkelheit, wo sich, wie Shaper gesehen hatte, als er beim Eintreten kurz das Licht anmachte, zerknitterte Laken, auffallend männliche Unterwäsche und ein beachtlicher Haufen leerer Kondomverpackungen befanden.
    Er seufzte. »Kommt drauf an.«
    »Worauf?«
    »Darauf, wie lange du vorhast, sie zu bumsen.« Er schlug seinen besten Tonfall eines verantwortungsbewussten Erwachsenen an. »Ich bin nicht sicher, ob ich über einen längerfristigen Seitensprung stillschweigend hinwegsehen kann.«
    Obwohl er halb scherzte, fühlte sich die Heuchelei wie Fäulnis und Scham an.
    »Ach, jetzt komm schon.« Vince rollte sich herum. »Du weißt doch, wie so was läuft – Auftragsarbeiten. Ist wie ’ne Urlaubsromanze, oder? So was hält nie lange. Stresssituationen sind die besten Aphrodisiaka, die’s überhaupt gibt.«
    Shapers Gedanken wandten sich schnurstracks Mary zu. Er fragte sich, was sie wohl gerade tat, versteckt in den Eingeweiden des Gebäudes in nächster Nähe des alten Mannes, in dessen Umlaufbahn sie beide kreisten. Dachte sie gerade an ihn, Shaper? Grübelte sie über die Zukunft nach?
    Eine gemeinsame Zukunft?
    Als er sich aus der sinnlosen Gedankenspirale löste, schnarchte Vince bereits wieder mit einem Buch über dem Gesicht, das er sich von Sandras Regal gegriffen hatte. Die Gaucher-Familien von Norrbotten , las Shaper. Auf dem Cover befand sich die körnigeAbbildung eines grotesk entstellten Kindes. Ihn schauderte, ohne dass er wusste, warum.
    Etwas trippelte ans Fenster und ließ ihn zusammenzucken.
    Nur der Efeu. Beruhig dich .
    Die linke Scheibe stellte den gefährlichen Punkt dar, darauf hatte Sandra sehr nachdrücklich beharrt. Die Mauern auf beiden Seiten lagen unter einem dichten Rankenteppich verborgen, aber anscheinend hatte Fossey damals herausgefunden, dass sich darunter ein bestimmtes Geflecht von Gesimsen und Rohrleitungen verbarg, das wie eine von Gott gesandte Leiter zu einem der Fenster hinaufreichte. Im Schutz der Pflanzenwand konnte er zum Zimmer seiner Freundin emporklettern. Sofern keiner der meditierenden Trottel unten bemerkte, wie er sich dem Haus näherte, war der Aufstieg selbst ein Kinderspiel, das niemandem auffiel.
    Heute wucherte der Efeu noch dichter als damals, und Shaper hatte daran gedacht, das Fenster zu entriegeln, als wäre es achtlos offen gelassen worden. Gleichsam ein Köder für seine Falle.
    Seinen Sitzplatz hatte er nah genug gewählt, um das Gelände unten allgemein im Blickfeld zu haben, aber weit genug vom Fenster entfernt, um unbemerkt zu bleiben, bis sich das Ungeheuer direkt an der Scheibe befinden und dazu ansetzen würde, ins Haus einzusteigen. Und mit wesentlich mehr Voraussicht als die Hippietruppe vergangener Tage hatte er Talvir unten an einem unbeleuchteten Fenster postiert, wo er insbesondere die Zufahrt im Auge behalten sollte und über seine beeindruckenden Funkgeräte zu erreichen war. Es war eine Sache, am Kopf einer geheimen, magischen Treppe zu lauern, jedoch eine völlig andere, so dumm zu sein, jemanden unentdeckt nach oben klettern zu lassen.
    Nicht dass die Wahrscheinlichkeit dafür sehr hoch war, rief er sich ins Gedächtnis.
    Die verdammte Mauer hochzukrabbeln. Zu Errol-Flynn-mäßig.
    Der Regen wogte im Wind hin und her. Vinces Schnarchen wurde regelmäßiger, und Shaper stellte fest, dass er sich selbst mitten in einem Kampf zwischen der eigenen Erschöpfung und einem Adrenalinschauer des Grauens befand, der sich nicht legen wollte.
    Er kommt.
    Der Mörder, der Irre, das Ungeheuer   …
    Es endet heute Nacht.
    Abermals schauderte ihn. Er setzte sich aufrechter hin und wartete.
    Wieder ein leises Rattern am Fenster, wieder schlug ihm das Herz bis in den Hals. Finster schaute er zu den blättrigen Ranken und fragte sich, wie Sandra diese verstörenden Geräusche ertragen konnte. Dann erinnerte er sich an

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