Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
»So ist er einfach.«
Und ich habe ihn gerettet.
Das ist die eigentliche Belohnung , dachte er. Nicht das Geld .
Er behielt den Scheck trotzdem und stapfte in den Keller hinab, vorbei an den Sauerstoffflaschen und unter dem Bogen hindurch. Mit einem unerschütterlichen Siegesgefühl ließ er den vertrauten Schwall heißer Luft über sich hinwegstreichen.
Bis er den Stuhl erblickte.
Er stand unangetastet in seiner Nische, und selbst aus derFerne gelang es dem Ding, Shapers Triumphgefühl zu amputieren und seine Sinne zu reizen – vor seinen Augen entkräuselte sich eine Nebelschwade. Er wandte den Blick ab und beschleunigte die Schritte, um zu Glass zu gelangen, doch das Gefühl der Übelkeit wollte nicht weichen. Zum ersten Mal, seit Vicar ihm seine Medikamente gestohlen hatte, seit dem Dämmerzustand des Zusammenbruchs und der wundersamen Reinigung durch den alten Mann, ertappte Shaper sich dabei, zu überlegen, was genau in seinem Gehirn vor sich gehen mochte.
Wie, so fragte er sich, sollte er nun weitermachen? Sollte er trotz der chemischen Klarheit eine Entgiftungspause einplanen? Sollte er zur selben alten Routine zurückkehren – zur selben alten Dosierung –, sobald alles endgültig abgeschlossen wäre?
Würde er die Krankheit je wirklich besiegen können?
Kaum hatte die Besorgnis eingesetzt, vermehrte sie sich, wie vorherzusehen gewesen war, und brach auf dem Weg durch die düsteren Gänge hervor wie ein schleichender Tumor.
Irgendetwas stimmt nicht , quengelte sein Gehirn.
Aber es ist vorbei. Um Himmels willen! Lass es gut sein!
Er glotzte auf den Scheck, als wäre der ein Beweis für den Abschluss des Falls, und versuchte, seine Ängste zu verdrängen. »Leute?«, rief er. »Seid ihr hier unten? Vince?«
Er erhielt keine Antwort. Das bedrückende Gefühl blieb bestehen, und sogar Mary wirkte unbehaglich und warf unsichere Blicke in jedes Seitengewölbe. Zusammen bogen sie um eine scharfe Kurve, und mit jäh eingesogenem Atem und einem plötzlichen, erschreckenden Eindruck nahm die Besorgnis Gestalt an – ein Körper.
Talvir!
Shaper ließ Marys Hand los, eilte zu der liegenden Gestalt und stieß ein erschrockenes Zischen aus.
Der kleine Mistkerl schlief.
Mit gewaltiger Erleichterung und einem Anflug von Verärgerung rüttelte Shaper ihn wach. Während der Junge sich gähnendund benommen aufrappelte, bemühte sich Shaper, sein Gefühl der Dringlichkeit zu unterdrücken.
»Wo sind alle, Tal?«
»Hm? Oh, sie … sie sind da drin, Mann.« Er nickte in Richtung einer massiven Tür am Ende des Korridors und hob einen Baseballschläger vom Boden auf. Tal schien über seinen Schlafanfall genauso überrascht zu sein wie Shaper und überprüfte seinen Kopf auf Beulen, als wäre er überzeugt davon, niedergeschlagen worden zu sein. Wofür es jedoch keinerlei Anzeichen gab.
An den Rändern von Shapers Verstand grölte die Krankheit um Aufmerksamkeit und fauchte in seinem Hinterkopf. Er ignorierte sie und beobachtete stattdessen, wie Mary auf die Tür zuging und resolut an das Metall klopfte.
Ein Klopfzeichen …
»V-Vince ist runtergekommen«, erklärte Tal und rieb sich die Augen. »Hat gesagt, du wärst hinter dem Psycho her. Hat sich mit Mr. Glass eingeschlossen. Sie sind alle da drin. Er meinte, ich soll hier draußen Wache schieben.« Matt schwenkte er den Schläger.
Glaub ich dir aufs Wort . Shapers Miene verfinsterte sich. Er wollte nicht zwei Fickpartner gleichzeitig im selben Raum haben .
»Wie geht’s dem großen Ochsen?«
»Er blutet ein bisschen – am Hintern, weißt du? Aber er hat die Wunde verarztet und sagt, ihm fehlt nichts weiter.« Ein Gedanke huschte sichtbar über die Züge des Jungen. »Hör mal, Dan, es tut mir leid, dass ich … Muss wohl ohnmächtig geworden sein.«
Hinter ihnen klopfte Mary erneut, diesmal mit gerunzelter Stirn. Tal gähnte abermals verwirrt und wankte auf den Beinen. Shaper musterte ihn mit zu Schlitzen verengten Augen. Das Gebrabbel in seinem Geist schwoll zu einem Gebrüll an. »Geht es dir gut, Mann?«
»J-ja, denke schon. Komisch – Vince hat auch irgendwie benommen gewirkt. Und Tony genauso. Er dachte, dass hier unten vielleicht ein Gasleck ist.« Zur Veranschaulichung streckte der Junge eine Hand aus. Er konnte ihr Zittern nicht kontrollieren.
Das verfluchte Zittern …
Und ohne Vorwarnung detonierte etwas in Shapers Gehirn wie eine Explosion von Licht in tiefer Finsternis.
»Die Unterschrift«, flüsterte
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