Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
Shaper. Oh Scheiße, das hatte es nie getan.
Er konzentrierte sich auf den Dietrich und bemühte sich, das Zittern aus seiner Stimme zu verbannen.
»Ich glaube, Fossey hat gar nicht getan, was wir denken«, murmelte er. »Jedenfalls nicht allein.«
Die Stimme von drinnen ertönte erneut – lauter und rauer als zuvor ging sie mit einer Abfolge wortloser Schreie durch Mark und Bein. Dann folgte plötzliche Stille, und in der Sekunde, die Shaper brauchte, um sich letztlich einzugestehen, dass es sich unverkennbar um Glass’ Timbre handelte – beeinträchtigt vom Grad seiner Pein –, brach der Dietrich in seinen Fingern, und er schrie auf, um das Geräusch zu übertönen.
Grabesstille kehrte ein, unter deren Einfluss sich Mary abwandte und heulend den Korridor entlang verschwand. Shaper nahm es kaum wahr; er zog den zerbrochenen Dietrich heraus und führte mit grimmiger Miene den Letzten ins Schloss ein.
Der an einer Wand lehnende, beinah vergessene Tal erwachte mit der letzten Frage, die Shaper hören wollte, benommen zum Leben.
»Was hat das alles zu bedeuten, Mann? Warum tut Miss Glass das alles?«
Und darin lag das Problem. Das war der kranke Kern, der ihn von Anfang an zurückgehalten und jeden Blick auf den Pfad vor ihm verschleiert hatte. In einer Welt, in der es von leichtgläubigen Trotteln, nervösen Freaks und Okkultismusbesessenen nur so wimmelte, musste ein eisernes »Motiv« keineswegs rational sein.
Nur die Muster zählten.
Opfer Nummer sieben.
Sahasrara.
»Sie wollte mit dem alten Mann ihre Ruhe haben …«, murmelte er und begriff, während er sprach und mit jedem in den Augäpfeln schmerzenden Herzschlag zitterte, worum es ihr gegangen war. »Keine Störungen. Sie wollte alle aus dem Weg haben. Das Fenster auf der verfluchten linken Seite. Alle sollten hier runterkommen … Und dann noch der Scheißkaffee.«
»W-was ist mit dem Kaffee?«
Shaper warf dem Jungen einen ungeduldigen Blick zu.
Begreifen stellte sich unter einem demonstrativen Gähnen ein. »Sie … sie hat mich betäubt? «
»Sie hat euch alle drei betäubt, Kumpel. Ich würde auf Serax tippen.«
Die Sitar leierte weiter durch die Tür, mittlerweile begleitet von einem unangenehmen Tabla-Rhythmus. Ein weiterer Schrei, ein weiterer Rückschlag für Shapers Konzentration. Sein Zittern wurde heftiger, und am Ansatz des Dietrichs trat ein hauchdünner Riss auf, der sich mit jedem verstreichenden Moment ausweitete.
Der perfekte Mensch , dachte er voll Panik. Der freundliche, der herrliche …
Der Schrei verebbte zu einem tiefen Stöhnen. Die Sitar-Klänge schwollen darüber hinweg an.
Er stirbt da drin, verdammt noch mal! Tu etwas!
Du brauchst ihn!
Dann kehrte Mary zurück, brüllend und triefend vor Regenwasser. Es blieb keine Zeit, den Gedanken zu beenden, als sie sich neben ihn drängte. Sie ignorierte ihn einfach, als er zischte: »He, ich brauche hier Platz!«
Mary stieß etwas Weißes und Knorriges, das in der Düsternis flackerte, gegen das Metall und weinte dabei leise.
Lässt einen an Ort und Stelle erstarren , erinnerte sich Shaper, und öffnet jede Tür .
Die Hand des Ruhms. Mary war zurück hinausgelaufen, um sie zu suchen.
In diesem Moment der Ablenkung fand der Foliendietrich in seinem Griff eine Spur mehr Halt, klickte in seiner Rinne, und das Schloss ging auf.
»Zufall«, flüsterte er mit einem Blick zu Mary. Sie sah ihn nur finster an.
Und dann schrillte in Shapers Tasche der Alarm.
Die Zeit ist abgelaufen!
Die Zeit ist abgelaufen!
Als er ihn mit einem hastigen Knopfdruck abstellte, drückte Mary gegen die Tür, ließ die Kerze fallen und ergriff seine Hand. Tal wankte von hinten auf die beiden zu.
Die Sitar schwoll mit dem Aufschwingen der Tür wie das Geräusch eines entfesselten Bienenschwarms an. Ihre Laute pulsierten aus einem schmuddeligen Gettoblaster, der gleich hinter der Tür auf einem Tisch stand. Das Gerät sowie der Stapel verchromter Hundenäpfe und die fünf Marmeladengläser daneben – alle ohne Deckel und mit Flüssigkeit gefüllt – wirkten so völlig fehl am Platz, wie Shaper sich fühlte.
Zum Eishaus führte ein kurzer Gang, an dem entlang sich vage ein Geflecht glänzender Rottöne abzeichnete, das jedoch von einem weit nüchterneren – und eindeutig erschöpften – Anblick in den Schatten gestellt wurde. Tony Krampfhand, den linken Arm mit einer Handschelle an ein Eisenrohr gekettet, die rechte Hand nutzlos wie eh und je an der Seite, öffnete die Lider
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