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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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die vor dem Haus Kaffee schlürften. So fehlerbehaftet der Artikel über Kingsleys Tod auch gewesen sein mochte, in einem Punkthatte er recht: Sein Sprung vor einen nächtlichen Zug wurde nicht als Mordfall behandelt.
    Shaper parkte neben einem aufgemotzten Prolo-Auto mit der Aufschrift »Jägermeister« quer über die getönten Scheiben und schüttelte den Kopf über die Jugend von heute. Zu beschäftigt damit, nach Alufelgen und schniekem Karosserietuning zu lechzen, um etwas wirklich Nützliches über die Welt zu lernen.
    Zum Beispiel, wie man in Häuser einbricht.
    Er kletterte über die Mauer einer kleinen Kirche hundert Meter weiter an der Straße und bahnte sich den Weg zurück durch ungepflegte Hintergärten, indem er über feuchte Holzzäune und Ziegelsteinmauern sprang. In der früh einsetzenden Düsternis waren die Jalousien bereits heruntergelassen, und niemand schaute heraus, als er wie ein Ninja vorbeihuschte. Die Menschen ahlten sich lieber in ihrer von Fernsehlicht erhellten Blase dreifach verglaster Behaglichkeit.
    Kingsleys Hintertür erwies sich als ärgerlich modernes Modell mit einem selbstdichtenden Riegel und einem Zylinderschloss, das keine Rücksicht auf Einbrecher nahm. Shaper brauchte quälende zehn Minuten, um es zu knacken, indem er behutsam Metallfolien um einen dünnen Blechdietrich anbrachte. Das Werkzeug stellte eine Neuanschaffung aus China dar – ein ausgesprochen einfallsreiches Beispiel primitiver Hinterlist. Dabei wurde ein weicher Metallstreifen mit viel Feingefühl im Schloss bewegt, um ihn buchstäblich in Form zu pressen – allerdings endeten aufgrund der Zartheit der Folien vier von fünf Versuchen damit, dass die Einsätze brachen, bevor sie sich vollständig geformt hatten. Shaper biss die Zähne aufeinander, als sich ein weiterer Protoschlüssel in Nichts auflöste, und verfluchte innerlich jeden beschissenen Hollywoodstreifen, in dem es einfach aussah.
    Die Katze eines Nachbarn blieb stehen und starrte ihn an. Sie blinzelte desinteressiert und gähnte gedehnt. »Kann nachvollziehen, wie du dich fühlst, Kumpel«, murmelte Shaper – der nurnoch zwei Folien übrig hatte –, als sich das Schloss endlich mit einem Klicken öffnete.
    Ein einfacher Einbruch. Von wegen.
    Kingsleys Heim präsentierte sich so unfehlbar modern, wie Shaper es vielleicht von einer ehrgeizigen Führungskraft erwartet hätte. Natürlich hatte er den Mann kaum gekannt – selbst in den finsteren Tagen seiner Vergangenheit, so erinnerte sich Shaper verschwommen, war er ihm nur ein oder zwei Mal begegnet –, aber er hatte genug Geschichten über Kingsleys extrovertierte Abenteuer gehört, um insgeheim überrascht von der in Pastelltönen und Silber gehaltenen Umgebung zu sein. Die einzigen Unstimmigkeiten zwischen den Glastischen und harmlosen Kunstdrucken waren Einstreuungen von Dingen, die Anhänger der Bewegung wohl als »New-Age-Esoteria« bezeichnet hätten. Shaper tat sie jedoch gedankenlos als Hippiekrempel ab. An einer Stelle hing ein gebatiktes Laken wie ein Gobelin an der Wand, an einer anderen ein mit Pinselstrichen gemaltes Zeichen in einer grellorangen Scheibe. Vom Kaminsims grinsten zwei geschnitzte Tänzer mit zurückgebogenen Fingern, mehrere Weihrauchgefäße standen verstreut umher. Ihm fiel auf, dass man einige Stäbchen völlig hatte abbrennen lassen, sodass Asche auf die Anrichten gerieselt war. An einem Ort solch augenfälliger Präzision wirkte das als uncharakteristisch schlampiges Versehen.
    Und es blieb in dieser Hinsicht kein Einzelfall. Als Shaper eine kleine Taschenlampe zückte – darauf achtend, dass er den Strahl nicht in die Nähe der Fenster bewegte –, entdeckte er auf dem Metallgeländer der Treppe eine dünne Staubschicht, in der sich wirbelige Flecken wie in Chrom gebannte Fossilien abzeichneten.
    Fingerabdrücke .
    Also war die Polizei doch hier gewesen.
    Umso merkwürdiger, dass die Wohnung völlig unbewacht zu sein schien. Shaper wusste, dass in der Regel schon der leiseste Anschein eines Fremdverschuldens zumindest gelbe Absperrbänder oder einen unglückseligen Anfänger rechtfertigte, der Wache schieben musste.
    Hm .
    Draußen brauste entsetzlich laut ein Motorrad vorbei, und er hätte beinah das mit Pulver überzogene Geländer angefasst, um sich abzustützen. Gelegentlich jagte ihm die Entgiftung eine wenig hilfreiche Schicht von Klammheit über den Rücken – bring’s hinter dich, Mann  –, und seine Nerven waren bereits zum Zerreißen

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