Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
angespannt. Er holte mehrmals tief Luft und eilte nach oben.
Das Schlafzimmer erwies sich als genauso methodisch charakterlos wie der Rest des Hauses. Die Schränke, die Shaper behutsam mit dem Jackenärmel über den Fingern öffnete, offenbarten nur feine Hemden, schicke Hosen und polierte Schuhe. Lediglich eine Nachttischschublade voller Kondome befriedigte Shapers Vorstellungen von einem Gigolo.
Keine Familienfotos. Keine Dokumente. Keine praktische Verbindung zu George Glass und seinem verdächtigen Umschlag. Nur weitere Hinweise auf die Arbeit der Spurensicherung: Ninhydrinabdrucke an hellen Wänden, Lücken in Schränken, wo die Polizei wer weiß was sichergestellt hatte, und das nichtssagende Innenleben eines Heims, das genauso ungeliebt wie das von Shaper wirkte – wenngleich es zugegebenermaßen erheblich sauberer war.
Im Badezimmer hielt er inne. Die Badewanne präsentierte sich voll. Das Wasser darin war längst erkaltet, und an der Oberfläche trieb ein Film irgendeiner duftenden Flüssigkeit. In einer Ecke stand ein ausgebranntes Teelicht. Er starrte darauf, als empfände er das, was es vermuten ließ, als persönliche Beleidigung. Da hörte er unten ein Geräusch.
Und erstarrte.
Es war fast nichts. Ein kurzer, unscheinbarer Laut, der das Niesen eines Nachbarn sein konnte oder ein Fußgänger, der schlurfend ging, oder auch nur die eigene schwachsinnige Fantasie, diemit ihm durchging. Wobei es für Letzteres ja durchaus Präzedenzfälle gab.
Oder jemand, der versucht, sich leise zu verhalten .
Er schlich zum Kopf der Treppe, hielt den Atem an und sandte sein Gehör wie die tastenden Tentakel einer Qualle in die Stille, lauschte auf eine Bewegung. Nichts.
Shaper befand sich auf halbem Weg nach unten, als es erneut auftrat, und diesmal erstarrte er nicht. Diesmal schwappte die Adrenalinexplosion über alles andere hinweg und zwang ihn, sich tief geduckt in jede Ecke zu pressen und sich schleunigst den Weg nach draußen zu bahnen, während er aus den Augenwinkeln Schatten über Schatten wahrnahm – weg, weg, weg .
Nichts rührte sich.
Er befand sich nur noch wenige Meter von der Hintertür entfernt, die er angelehnt gelassen hatte, ein Anfängerfehler. Er streckte die Hand, wie ein Ertrinkender nach einem Schwimmreifen, Richtung Klinke aus und suchte mit den Augen den Garten nach Anzeichen auf Bewegung ab …
Als sich etwas wie knochige Flüssigkeit an seinen Schienbeinen vorbeiwälzte. Seine Brust explodierte beinah.
Die Katze.
Die verfluchte Katze.
Das Tier schaute immer noch so beleidigend gelangweilt wie Ziggy zu ihm auf und miaute – das kleine Mistvieh .
Stockend blies Shaper den Atem aus. Die Erleichterung ließ seine Schultern herabsacken, und er bückte sich, um den miesen kleinen Scheißer hinter dem Ohr zu kraulen.
Erst da krachte der Mann, der hinter der Tür gelauert hatte, wie eine Abrissbirne gegen sein Zwerchfell.
Shaper knurrte, kapitulierte nicht, sondern schlug erschrocken zu, zog an Haaren und bohrte die Finger in Haut, bis ihm ein fachmännisch zwischen seinen Schulterblättern ausgeübter Druck und das kalte Klicken von Handschellen alles verriet, was er wissen musste.
Wie er feststellte, starrte ihn die Katze von der Tür unerträglich selbstgefällig an.
»Du Judas«, krächzte er.
»Das reicht«, sagte der Bulle, stellte sich mit gespreizten Beinen über ihn und begann, ihn abzutasten. »Ich verhafte Sie wegen des Verdachts auf Einbruch und tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten …«
Moment mal …
»Moment mal«, presste Shaper grunzend hervor.
»Sie müssen nichts sagen, allerdings kann es Ihre Verteidigung beeinträchtigen, wenn Sie auf Fragen nicht antworten, die …«
»Warte, warte, warte.« Shaper versuchte, mit einer Hand zu wedeln. »Canton?«
Die Litanei verstummte. Eine Hand packte seine Schulter und drehte ihn herum. Der Strahl einer Taschenlampe stach ihm in die Augen.
Jemand stöhnte.
»Shaper«, sagte Polizeiinspektor Canton und kramte nach den Schlüsseln der Handschellen. »Scheiße.«
Canton kochte mit Kingsleys Utensilien Kaffee, klirrte und klapperte damit unwirsch umher und setzte dabei etliche finstere Mienen auf. »Die Spurensicherung ist abgeschlossen«, murmelte er und spülte violette Abdrücke von zwei Tassen ab. Dann schaute er abermals finster drein, als müsse er sich nicht rechtfertigen; am wenigsten vor Shaper. Gleichzeitig schraubte er seine Verdrossenheit, die er klirrend am Porzellan ausließ, eine
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