Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
sag nein …
»Weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich nicht.«
Sie trat unruhig von einem Bein aufs andere. Er sah ihr an, dass sie etwas hinzufügen wollte, doch sie verkniff es sich mit finsterer Miene und einem kurzen Aufflackern von Verärgerung. »Wissen Sie, ich werde ihn dazu bringen, es mir zu sagen.«
Shaper öffnete die Tür. »Schön für Sie«, meinte er. »Lassen Sie mich wissen, was Sie davon halten.«
Er war noch kaum die Hälfte der Treppe hinuntergestiegen, als sie es schließlich ausspuckte.
»Mr. Shaper? Keine Polizei – bitte . Um seinetwillen.«
Als er sich umdrehte und nachfragen wollte, weshalb, hatte sich die Tür geschlossen.
Er ging nach Hause.
Als er beschloss, etwas zu unternehmen, wurde die trostlose, verregnete Welt vor den dreckigen Fenstern seiner Wohnung bereits dunkel.
Den Nachmittag hatte er damit verbracht, nervös auf und ab zu laufen, nichts zu essen und zwanghaft mit den Fingern auf dem Medikamentenordner zu trommeln, den er aufgehoben hatte.
Wenn er den Auftrag annehmen wollte, würde er bald anfangen müssen, die Dosen zu erhöhen – bevor die Entgiftung zu weit voranschritt und ihn der kontrollierte, von Schweiß begleitete Absturz nutzlos werden ließ. Aber von einem intensiven Job direkt zum nächsten zu springen … seine Betäubungsmitteltoleranz weiter zu steigern … eine Überdosis oder einen Zusammenbruch zu riskieren … Es war ein gewaltiges Wagnis.
Fünfzehn Riesen.
Scheiße .
Und so, gepeinigt von derart viel bereitgestelltem, aber nicht einkassiertem Geld, hatte er beschlossen, sich dem Elend der Unentschlossenheit zu entziehen. Stattdessen wollte er die relative Komplexität des Falles überprüfen. Er würde die Bezahlung gegen das erforderliche geistige Engagement und die damit verbundenen Risiken schwerer und anhaltender Hirnschäden abwägen. Und er würde es tun, indem er nur einen kleinen, unbedeutenden Schritt unternahm.
Er würde in das Haus von Kingsley dem Hengst – dem »Unfalltoten« Nummer zwei – einbrechen und sich darin umsehen.
Um sieben Uhr dreißig war er die Mittelschichtstraße in der Nähe der Clapham High Street bereits zweimal mit dem Van abgefahren und hatte sich davon überzeugt, dass es ein einfacher Einbruch würde. Die Adresse hatte er in einem alten Notizbuch gefunden, vergraben unter uraltem Papier und ausgedorrter Leguanscheiße. Er hatte die eselsohrigen Seiten mit einer seltsamen Mischung von Ehrfurcht und Beklommenheit durchgeblättert. All die Namen und Nummern, eingetragen mit einer weit geschwungenen, unregelmäßigen Handschrift, die er nicht mehr als seine eigene erkannte – Relikte aus einem Leben, das er längst aufgegeben hatte.
Vermutlich hatte es keinen Sinn, sich davor zu verstecken. Früher einmal war er durchaus zutreffend als Dan Shaper, der Skrupellose bekannt gewesen. Seine Rolle in der verruchten, kriminellen Unterwelt hatte weniger darin bestanden, Probleme zu lösen, als vielmehr darin, sie hervorzurufen – Probleme für die Feinde seiner Auftraggeber -, und dies mit einer Kreativität, für die er berüchtigt war. Dieses Notizbuch, das penible Angaben über jeden enthielt, der mit dem Familienbetrieb der Corams zu schaffen hatte, stellte eines der wenigen verbliebenen Bindeglieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart dar. Kingsley der Hengst teilte sich den Platz auf der Seite mit Geldwäschern, Menschenschmugglern, Grasanbauern und einem Burschen aus Balham, der in seinem Keller eine illegale Gänsestopfleberfabrik betrieb. Irgendwann hatte Shaper ihnen allen Gewalt angetan, sie bedroht, Geld bei ihnen eingetrieben oder sie beschäftigt. Es war wohl kein Wunder, dass sich Leute wie Tova – eine weitere aus der Familie Verstoßene – alles andere als herzlich in seiner Gesellschaft verhielten.
Damals hatte er das Schreckgespenst verkörpert, das dafür gesorgt hatte, dass Menschen wie sie nicht aus der Reihe tanzten.
Er rollte ein letztes Mal Kingsleys Straße entlang. Für einen Mann, der bei der Bruderschaft des unorganisierten Verbrechens den Ruf eines erstklassigen Gigolos und tantrischen Superstars genoss, hatte Kingsley in einer entschieden langweiligen Gegend gewohnt. Dreigeschossige viktorianische Häuser, die von der rechtschaffenen Banalität der Mittelschicht zeugten, wo sich jeder um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte. Ideal für Shapers Zwecke. Keine zuckenden Vorhänge, keine lästigen Überwachungskameras und vor allem keine gelangweilten Polizisten,
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