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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Stufe höher.
    Shaper ignorierte seine Laune mit nur einem leichten Anflug von sadistischem Gleichmut.
    Canton war groß und dünn. Die Haare trug er so streng zurückgekämmt, dass Shaper sich manchmal einbildete, er könnte die Nähte der Gussform erkennen. Die knochigen Züge des Polizisten wirkten nicht bloß streng, sondern regelrecht schroff . Auf den ersten Blick ließ er die Menschen an einen affektierten Neurotiker denken – der makellos gestutzte Kinnbart, die schlitzartige Brille, die immer auf Hochglanz polierten Schuhe … Aber in dem Mann steckte mehr, und Shaper hatte das vor langer Zeit erkannt.
    Canton bewegte sich mit einem merkwürdigen Selbstvertrauen, einer berechnenden Anmut, die den schlaksigen Stereotypen Lügen strafte und stattdessen ein geheimes, aber dynamisches Gemüt erahnen ließ – wie eine Maschine, die ihr Reservoir an heißblütigem Zorn sorgsam verbarg. Für Shapers verzerrte Sinne haftete Canton etwas entschieden Reptilienartiges an: Immer beobachtete er, wog ab, verriet nichts und erwachte im entscheidenden Augenblick jäh zu unvorhersehbarem Leben.
    Sie hatten eine gemeinsame Vergangenheit, der Bulle und er: einen zwielichtigen Austausch von Gefälligkeiten und widerwilligen, gegenseitigen Respekt. Shaper wusste Dinge über Canton, an denen seine ordenbehangenen Vorgesetzten nur allzu interessiert wären, während Canton über Informationen verfügte, die Shaper für lange, lange Zeit hinter Schloss und Riegel bringen konnten. Schmutzige Wahrheiten umgaben sowohl Canton als auch Shaper; dunstige Verunreinigungen aus einer Vergangenheit, der sie beide mit aller Macht zu entrinnen versuchten. Durch diesen schlichten, gemeinsamen Wunsch – ein besserer Mensch zu werden – hatten sie einen Berührungspunkt gefunden, der ihre zahlreichen Unterschiede bei Weitem überwog und der schon zu so mancher zögerlichen Zusammenarbeit geführt hatte.
    So wie Shaper es sah, hatte Canton eine Fülle nützlicher Ressourcen in Form von Ausrüstung, Akten, Wissenschaft und des alles überragenden Stempels des Offiziellen zu bieten. Er selbst wiederum brachte die unschätzbare Fähigkeit ein, mit lichtscheuen Gestalten reden zu können, die lieber die eigenen Nüsse verspeisen würden, als mit einem Bullen zu sprechen.
    Eine Symbiose.
    Im Augenblick jedoch schien das Prinzip der Zusammenarbeit für ein übergeordnetes Wohl bei Canton wenig Gewicht zu haben. Shaper beobachtete, wie er sich unwirsch am Kinnbart kratzte, und wartete auf die Explosion.
    »Ich war gerade beim Abendessen«, sagte der Mann schließlich knurrend. »Mit Natasha aus dem Labor. Sie ist verdammt noch mal umwerfend , Shaper.«
    »Schön für dich.«
    »Nicht schön für mich. Hast du eine Ahnung, wie lange ich gebraucht habe, um sie einzuladen?«
    Shaper schüttelte den Kopf und genoss die Vorstellung. Hatte Canton seinen Panzer erst abgelegt, konnte er so herrlich dramatisch sein.
    »Scheiße noch mal, Monate! Mooo-nate! Ein teures Restaurant in Chelsea, den teuersten Schampus auf der Karte, und was passiert mitten in der Vorspeise? Das verfluchte Telefon bimmelt, und es heißt: ›Sir, es ist gerade jemand in das Kingsley-Haus eingestiegen.‹« Wie mit einem stoßbereiten Degen zeigte er mit dem Finger auf Shaper. »Du hast mich den besten Fick meines Lebens gekostet, du kleiner Scheißer. Ich sollte dich schon aus Prinzip einbuchten.«
    »Tut mir leid, Kumpel.« Shapers Entschuldigungsmiene litt unter einem verräterischen Kichern, das er pflichtbewusst in Kaffee ertränkte. Mitten im Schluck kam ihm ein Gedanke. »Der Vauxhall Nova mit den getönten Scheiben? ›Jägermeister‹?«
    Canton nickte und beruhigte sich. »Wachtmeister Morgan. Hat sich freiwillig zur Observierung gemeldet, solange er nicht die beschissenen Lautsprecher im Streifenwagen ertragen muss.«
    »Gerissener kleiner Mistkerl. Ich hab direkt hinter ihm geparkt.«
    Sie tranken gleichzeitig und beobachteten einander.
    Canton rückte als Erster damit heraus.
    »Was machst du hier, Shaper?«
    »Na, ich hab gehört, das Kingsley tot ist. Wollte der Sache nur nachgehen. Als besorgter Freund.«
    »Blödsinn.«
    »Tja, ich könnte dieselbe Frage stellen, oder? Ein gewöhnlicher kleiner Stricher wie er, ein schrecklicher Unfall … Warum das große Interesse? Und warum lässt der Goldjunge der Abteilung zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens seine einzige Chance auf einen Fick seit Jahrzehnten sausen« – Canton zeigte ihm den Stinkefinger –

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