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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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Haar hängt ihr bis auf die Schultern, und ihre fast schwarzen Augen werden von einem so strengen Pony umrahmt, dass er mit dem Rasiermesser geschnitten sein könnte.
    »Leute verirren sich hier. Passiert andauernd.«
    »Wer ... Wer bist du?«, frage ich und musterte ihre gestärkte weiße Bluse, den karierten Rock, den blauen Blazer und die Kniestrümpfe, die Montur der typischen Privatschülerin, wobei ich weiß, dass sie keine schlichte Schülerin sein kann - nicht, wenn sie hier ist.
    »Ich bin Romy«, sagt sie, ohne dass sich dabei ihre Lippen bewegen. Und die Stimme, die ich gehört habe, kam von hinter mir.
    Als ich herumwirbele, stehe ich vor exakt dem gleichen lachenden Mädchen. »Und sie ist Rayne«, sagt sie.
    Ich drehe mich erneut um und sehe Rayne nach wie vor hinter mir stehen, während Romy um mich herumgeht und sich neben sie stellt. Zwei identische Mädchen stehen nun vor mir, an denen alles - Haare, Kleider, Gesichter und Augen - genau gleich ist.
    Abgesehen von den Kniestrümpfen. Die von Romy sind heruntergerutscht, während die von Rayne straff hochgezogen sind.
    »Willkommen im Sommerland.« Romy lächelt, während mich Rayne mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen mustert. »Das mit deiner Freundin tut uns leid.« Sie stupst ihre Zwillingsschwester an, und als die nicht reagiert, spricht sie weiter: »Ja, sogar Rayne tut es leid. Sie gibt es nur nicht zu.«
    »Wisst ihr, wo ich sie finden kann?«, frage ich und blicke zwischen ihnen hin und her, während ich mich frage, wo sie wohl hergekommen sind.
    Romy zuckt die Achseln. »Sie will nicht gefunden werden. Also haben wir stattdessen dich gefunden.«
    »Was redest du denn da? Und wo kommt ihr überhaupt her?«, frage ich, da ich bei meinen früheren Besuchen hier nie einen anderen Menschen gesehen habe.
    »Das liegt nur daran, dass du keinen anderen Menschen sehen wolltest«, sagt Romy und beantwortet den Gedanken in meinem Kopf. »Du hast es dir bis jetzt nicht gewünscht.«
    Ich sehe sie verblüfft an, und mir wird ganz mulmig angesichts der Erkenntnis - sie kann meine Gedanken lesen?
    »Gedanken sind Energie. Und Sommerland besteht aus schneller, intensiver, gesteigerter Energie. So intensiv, dass man sie lesen kann.«
    Sowie sie es ausgesprochen hat, fällt mir mein Besuch mit Damen wieder ein und dass wir damals mittels Telepathie miteinander kommunizieren konnten. Doch damals dachte ich, nur wir könnten das.
    »Aber wenn das stimmt, warum konnte ich dann nicht Avas Gedanken lesen? Und warum konnte sie einfach so verschwinden?«
    Rayne verdreht die Augen, während Romy sich vorbeugt und mit sanfter, leiser Stimme antwortet, als spräche sie zu einem kleinen Kind, obwohl die beiden jünger wirken als ich. »Weil du es dir wünschen musst, damit es sein kann.« Als sie meinen verständnislosen Blick sieht, fährt sie fort: »Im Sommerland besteht die Möglichkeit für alles. Für einfach alles. Doch du musst es dir erst wünschen, um es entstehen zu lassen. Sonst bleibt es eine reine Möglichkeit - eine von vielen Möglichkeiten -, unmanifestiert und unvollständig.«
    Ich versuche, ihr zu folgen.
    »Dass du bisher keine Leute gesehen hast, lag daran, dass du es nicht wolltest. Aber guck dich jetzt mal um und sag mir, was du siehst.«
    Als ich mich umdrehe, erkenne ich, dass sie Recht hat. Läden und Lokale sind jetzt voller Menschen, in der Galerie wird eine neue Kunstinstallation aufgebaut, und auf den Stufen des Museums sammelt sich eine Menschentraube. Als ich mich auf ihre Energie und ihre Gedanken konzentriere, erkenne ich, wie vielfältig dieser Ort in Wirklichkeit ist, jede Nationalität und jede Religion ist vorhanden und anerkannt, und alle leben in Frieden miteinander.
    Wow, denke ich und lasse meine Blicke in sämtliche Richtungen schweifen, um alles aufzunehmen.
    Romy nickt. »Und sowie du dir gewünscht hast, den Weg zu den Tempeln zu finden, sind wir erschienen, um dir zu helfen. Während Ava verblasst ist.«
    »Dann habe ich sie also verschwinden lassen?«, frage ich und beginne langsam zu ahnen, was hinter alledem steckt.
    Romy lacht, während Rayne den Kopf schüttelt und mich ansieht, als wäre ich der dümmste Mensch, der ihr je begegnet ist. »Wohl kaum.«
    »Und sind alle diese Leute« - ich nicke zu den Menschenmengen hin -, »sind die alle - tot?« Ich richte meine Frage an Romy, da es bei Rayne zwecklos ist.
    Sie beugt sich vor und flüstert ihrer Schwester etwas ins Ohr, woraufhin sich Romy losmacht und sagt:

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