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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Scheißkerle sind das.»
    «Vorher gesehen haben Sie die beiden aber noch nie?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Eine Beschreibung wäre hilfreich. Wirkten sie wie Hafenarbeiter? Versuchen Sie sich zu erinnern. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.»
    Altena Weissgerber setzte sich zu Sören an den Küchentisch, stützte die Arme auf und vergrub den Kopf zwischen ihren Händen. «Nein, Hafenarbeiter waren das bestimmt nicht. Das waren Ganoven, glauben Sie mir. Der Kleinere von den beiden hatte zwei hässliche Narben auf der Wange. Ich glaube, auf der rechten. Eine richtig fiese Visage hatte der. Und eine Fistelstimme. Der andere, also der Gustav, hat kaum gesprochen. Riesengroß war der. Stand da einfach nur mit verschränkten Armen. Glupschaugen hatte er – an mehr kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.»
    «Aber wiedererkennen würden Sie die zwei?»
    «Ganz bestimmt.» Sie blickte auf. «Wie spät ist es jetzt?»
    Sören zog seine Taschenuhr heraus. «Gleich zwei Uhr. Mein Angebot, Sie mitzunehmen, gilt noch.»
    Sie lächelte. «Das wäre wirklich sehr freundlich. Ich muss noch schnell zu einer Nachbarin. Zum Markt schaffe ich es nach der Arbeit nicht. Sie bringt mir immer ein Bund Gemüse und Suppengrün mit. Milch gibt es in der Nachbarpassage. Da ist ein kleiner Laden.»
    «Eine Frage hätte ich noch: Sie besitzen nicht zufällig einen Schlüssel zur Wohnung Ihres Verlobten? Sie sagten, Sie waren dort, als die beiden ihn nach Hause gebracht haben.»
    Altena Weissgerber presste die Lippen aufeinander. «Das darf aber niemand wissen», meinte sie schließlich. «Der Vermieter schmeißt Marten raus, wenn er erfährt, dass er einen Nachschlüssel hat machen lassen.»
    Sören nickte. «Ich glaube, das ist im Moment das geringste Problem. Geben Sie ihn mir bitte.» Er lächelte sie an. «Ich habe wenig Lust, von meinem Dietrich Gebrauch zu machen.»
     
    Nachdem Sören Altena Weissgerber vor der Kaffeeklappe im Hafen abgesetzt hatte, lenkte er den Wagen in Richtung Schaarmarkt. Es war an der Zeit, Hannes Zinken einen Besuch abzustatten. Zinken, der diesen Namen wegen seiner großen Knollennase trug, war so etwas wie der König der Ganoven. Und er war Sören noch einen Gefallen schuldig – einen großen sogar, wenn man es genau betrachtete. Ohne die Hilfe seines Verteidigers wäre Zinken vor dem Scharfrichter gelandet. Das Todesurteil war schon rechtskräftig gewesen, als Sören förmlich in letzter Minute doch noch den Zeugen ausfindig machte, der Zinkens Unschuld beweisen konnte und aufgrund dessen Aussage der wirkliche Täter ermittelt wurde. Mit Mord und Totschlag hatte Hannes Zinken nichts am Hut. Ein Gauner und Dieb war er trotzdem,auch wenn er wohl aufgrund seines Alters nicht mehr selber auf Tour ging. Das überließ er seinen Leuten.
    Sören lenkte den Wagen den Stubbenhuk hoch bis über den Brauerknechtgraben hinaus. An der Ecke zum Schaarsteinweg stellte er die Droschke ab und ging den Rest des Weges zu Fuß. Bis zum Lieschengang waren es nur noch wenige Meter. Es gab nur eine Möglichkeit, zu Hannes Zinken zu gelangen. Und auch die setzte voraus, dass man die Spielregeln einhielt. Die Spielregeln eines Viertels, in das sich niemand ohne wichtigen Grund hineingewagt hätte.
    Der Junge vor dem kleinen Kolonialwarenladen an der Ecke mochte höchstens sechs sein. Dennoch wusste er sofort, worum es ging. Unter einem Groschen brauchte Sören es gar nicht erst zu versuchen. Dafür war er zu vornehm gekleidet. Den Hafenarbeiter hätte ihm in dieser Gegend so oder so niemand abgenommen, also hatte Sören es gar nicht erst versucht, sich zu kostümieren. Wer hier im Kirchspiel von St.   Michaelis zwischen Großem Bäckergang und Teilfeld lebte, war aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt. Sören folgte dem Jungen bis zum Großen Bäckergang. Kaum hatten sie den Weg passiert, tauchte ein größerer Junge aus einer Tordurchfahrt auf und winkte sie in einen Hauseingang. Der kleinere Junge blieb draußen vor der Tür und passte auf, ob ihnen jemand gefolgt war. Sören kannte das Spiel schon. Ab hier begann das Labyrinth. Das letzte Mal hatte ihn der Weg zu Hannes Zinken sieben Groschen gekostet. Er kontrollierte, ob er genug Geldstücke dabeihatte, dann steckte er dem Jungen seinen Groschen zu. Der Durchgang zum Hof war niedrig. Als der Junge merkte, dass Sören den Fuß nachzog, drosselte er von sich aus das Tempo, denn wenn der Nächsteum seinen Verdienst gebracht wurde, bedeutete das Kloppe. Kurz darauf

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