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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod
Autoren: Boris Meyn
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ein paar Notizen, dann fuhr er nach Hause, nahm ein kühles Vollbad und machte sich auf den Weg zu Martin. Es war an der Zeit, die Last des Tages abzuschütteln. Außerdem war er neugierig, was sein Freund von Mathilda Eschenbach hielt.
     
    Martin Hellwege war sichtlich enttäuscht, als Sören es entgegen ihrer Gewohnheit ablehnte, eine Partie Schach mit ihm zu spielen. «Aber einen Wein trinkst du doch mit?», fragte er und stellte wie selbstverständlich zwei Gläser auf den Tisch. «Ich habe einen ganz vorzüglichen weißen Burgunder offen. Genau das Richtige für diese Temperaturen.»
    Es war in der Tat immer noch sehr warm, obwohl die Sonne bereits untergegangen war. «Da kann ich kaum nein sagen», antwortete Sören und folgte Martin auf die große Veranda zum Garten.
    «Gratulation übrigens zu deinem Auftritt neulich.» Martin entzündete zwei Kerzen auf dem Tisch und setzte sich. «Der gute Lichtwark war sehr angetan von dir. Was ist übrigens mit deinem Fuß? Du humpelst.»
    «Zu viel Alkohol.» Sören griente seinen Freund an. «Hab’s erst gar nicht gemerkt. Bin unglücklich gestolpert und umgeknickt.» Er hob das Glas und prostete Martin zu. «Ich werde mich also in Zukunft ein wenig zurückhalten. Außerdem habe ich morgen Vormittag einen Gerichtstermin.»
    «Ich fand den Vorschlag, den du Lichtwark gemacht hast, übrigens auch sehr gelungen. Eine elegante Lösung. Ich wusste gar nicht, dass du solch ein diplomatisches Geschick besitzt.»
    «Vielen Dank nochmals, dass du das arrangiert hast. Fräulein Eschenbach war natürlich schwer beeindruckt. Was hältst du denn im Übrigen von ihr?»
    Martin spitzte die Lippen. «Recht apart», meinte er nach einigen Sekunden.
    «Apart. Hmm.» Sören zog die Augenbrauen zusammen. «Das ist sehr knapp gehalten.»
    Martin zuckte mit den Schultern. «Was erwartest du von mir für ein Urteil? Wir haben ein paar Stunden Konversation getrieben. Sie schien mir recht gebildet.»
    «Und sonst? Ich meine ihre Erscheinung. Sieht sie nicht bezaubernd aus?»
    Martin nickte. «Doch, doch. In der Tat.» Er fixierte Sören. «Du hast ernsthafte Absichten?», fragte er schließlich.
    «Nun tu nicht so erstaunt. Ich bin vierundvierzig. Da darf man sich doch wohl schon mal Gedanken machen   …»
    «Spät genug», entgegnete Martin schwach lächelnd und nippte an seinem Weinglas. «Du meinst also, es wäre an der Zeit, an die Gründung einer Familie zu denken.»
    «Warum nicht? Ich spiele schon seit längerem mit dem Gedanken. Nur ist mir eben noch nicht die Richtige begegnet. Bis jetzt. Mein Herz bebt förmlich, wenn ich in ihrer Nähe bin. Ihre Blicke berühren etwas in mir, das mir bislang unbekannt gewesen ist. Ich komme mir zwanzig Jahre jünger vor. Wenn also nicht jetzt, wann dann?» Sören blickte seinen Freund an, aber Martin wich seinem Blick aus. «Was ist mit
dir
?», fragte er. «Du lebsthier in einer riesigen Villa mit zehn Zimmern, von denen die Hälfte leer steht. Soll das ewig so bleiben?»
    Martin sagte nichts. Stattdessen zog er ein silbernes Etui aus seiner Jacke und steckte sich eine Zigarette an.
    «Seit wann rauchst du?», fragte Sören.
    «Gelegentlich.» Martins Blick streifte durch das Dunkel des Gartens.
    «Ich habe dich noch nie rauchen gesehen.»
    «Weißt du, es gibt vermutlich so einiges, das du nicht von mir weißt, Sören. Das Rauchen zum Beispiel. Ich tue es nicht regelmäßig.» Martins Blick war immer noch in die Dunkelheit gerichtet, als suche er in den nächtlichen Schatten der Bäume und Sträucher etwas, das man nur in der Finsternis erkennen könne. Irgendetwas in seiner Stimme verriet Sören, dass es Martin Überwindung kostete weiterzusprechen. «Wie lange kennen wir uns jetzt? – Seit unserer Kindheit, wirst du sagen. Richtig. Wir sind durch dick und dünn zusammen gegangen. Wir haben so mancherlei zusammen ausgeheckt und durchgestanden. Waren immer füreinander da.» Martin inhalierte den Rauch der Zigarette mit einem tiefen Atemzug. Immer noch starrte er wie gebannt in die Nacht. «Und dennoch! Was wissen wir wirklich voneinander? Ich meine, was tief in uns ist. Was in unserer Seele schlummert. Du wirst dich erinnern, dass ich dich nie danach gefragt habe, warum du dir keine Frau nimmst. Vielleicht – vielleicht war es die Hoffnung, dass man nicht darüber sprechen muss, weil du genau das fühlst, was ich fühle. Ich dachte, es geht dir vielleicht wie mir. Aber so war es nicht. Mit dir darüber zu sprechen war mir nicht möglich, und
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