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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Viertel. Sören lenkte rechts in den Lehmweg und fuhr weiter bis zur neuen Wagenbauanstalt der Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft, deren Terrain sich inzwischen fast bis zu den Abendroth’schen Besitzungen hin ausdehnte. Vor drei Jahren hatte man hier begonnen, Produktions- und Reparaturwerkstätten für Pferdefuhrwerke zu errichten. Der Betrieb war rasch gewachsen. Allein die Pferdestallungen hätten jedem Dragonerregiment zur Ehre gereicht.
    Für die vielen Arbeiter dieses großen Betriebes musste natürlich Wohnraum geschaffen werden, also hatte man vor zwei Jahren damit begonnen, auf dem benachbarten Gelände zwischen den Straßen Falkenried, Lehmweg und Löwenstraße ein Ensemble aus Wohnterrassen und Passagen zu errichten. Diese Bauweise,mit Hinterhauszeilen durchzogene Straßenblöcke, war für moderne Arbeiterquartiere durchaus nicht unüblich, aber im Unterschied zu den großen Durchgangshöfen, etwa des Hammerbrook, gab es hier keine geschlossene Straßenrandbebauung und keine Torwege. Außerdem wirkten die nur dreigeschossigen Terrassen mit ihrer großzügigen Anlage fast wie Wohnhöfe. Einige hatte man sogar begrünt, so breit waren die Abstände zwischen den Häuserzeilen. Alles wirkte hell und freundlich. Die Olgapassage führte vom Falkenried zur Löwenstraße. Sören konnte den Wagen bequem zwischen den Kopfbauten hindurch in die Passage lenken. Die Fassaden in der Passage bestanden aus roten Verblendziegeln, und das Sockelgeschoss war deutlich mit einer starken Gesimszone abgesetzt. Durch den Wechsel von horizontalen Ziegel- und Stuckbändern wirkte das Ensemble wie eine aufgeschichtete Torte.
    «Gibt es Neuigkeiten?», fragte Altena Weissgerber hoffnungsvoll, nachdem sie ihren Gast begrüßt hatte.
    Sören wiegte den Kopf hin und her. «Wie man es nimmt. Ich habe mich ein wenig umgehört.» Er wollte sie nicht unnötig beunruhigen, daher vermied er zu erwähnen, dass man Steens Messer in der Brust des Toten gefunden hatte. «Ich benötige noch einige Angaben von Ihnen.»
    Sie schloss die Tür hinter Sören und bat ihn, in der Küche Platz zu nehmen. «Sie haben Glück, dass Sie mich angetroffen haben. Die Zeit zwischen der Arbeit reicht gerade aus, um mich umzukleiden und noch ein paar Einkäufe zu erledigen», erklärte sie. «Dann muss ich mich auf den Weg zum Hafen machen. Den Pferdewagen kann ich mir nicht täglich leisten. Um vier beginnt mein Dienst.»
    «Wenn es Ihnen recht ist, kann ich Sie ein Stück mit der Droschke mitnehmen.»
    «Ich stehe so oder so schon in Ihrer Schuld.» Sie schüttelte den Kopf, während sie ihre Schürze abwickelte. «Sie entschuldigen mich einen Augenblick?» Sie verließ die Küche, um sich im Nachbarzimmer umzuziehen. Durch die halb geöffnete Tür konnte Sören ihren Schatten an der Wand sehen. Verschämt wandte er seinen Blick ab. «Fragen Sie ruhig!», rief sie ihm aus dem Nebenraum zu. «Ich bin gleich fertig!»
    Sören schaute sich in der Küche um. Alles wirkte sauber und aufgeräumt. «Wie lange kennen Sie Marten Steen schon?»
    «Im Oktober ist es ein Jahr», antwortete sie.
    «Wissen Sie etwas über Schulden, die er haben könnte?»
    «Davon hätte er mir bestimmt erzählt!»
    «Zechschulden vielleicht? Ist es möglich, dass der Wirt der ‹Möwe› seinen Lohn nicht auszahlen wollte?»
    Altena Weissgerber kam in die Küche zurück. «Marten ist kein Trunkenbold, wenn Sie das meinen.» Sie nahm zwei Bänder von einem Regal und wickelte damit ihre roten Haare hoch. «Ich habe ihn bis zu diesem Tag nie betrunken erlebt.»
    «Haben Sie Freunde von ihm kennen gelernt? Ich meine, was pflegt er für einen Umgang?»
    «Marten ist eigentlich ein richtiger Einzelgänger», erklärte sie. «Die Leute von seiner Gang – gut, mit denen geht er nach Arbeitsende wohl mal einen trinken, aber richtig befreundet ist er mit ihnen nicht.» Sie überlegte einen Augenblick. «Er hat mal etwas von einem Freund in Melnik oben im Böhmischen erzählt. Der fährt auf einem der Kettenschiffe auf der Elbe, und wenn er bisnach Hamburg kommt, dann treffen sie sich. Ich glaube, er heißt Alwin oder Albin, aber ich habe ihn nie kennen gelernt.»
    «Und die beiden Kumpane, die ihn in der besagten Nacht nach Hause brachten? Sie sagten, der Name des einen wäre Gustav   …»
    «Es ist mir ein Rätsel, wie Marten an die geraten ist.»
    «Sie erwähnten auch, dass das ziemlich schräge Vögel gewesen wären   …»
    «Ich habe mit solchen Kerlen eben meine Erfahrungen. Richtige

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