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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Pacht kassiert. Montags musste der Willy immer abdrücken, und beim Neuen ist es auch nicht anders. Keine Ahnung, wo die Kohle hingeht. Ich horch nicht anner Tür. Damit will ich nix zu tun haben.» Sie gab Sören ein Zeichen, erst einmal keine weiteren Fragen zu stellen, als sich einer der Schauerleute zu ihnen an den Tresen gesellte. «Na, was willste? Noch ’ne Runde?»
    «Was bin ich’n schuldig?», lallte der Mann, dessen linke Gesichtshälfte von einem dunklen Muttermal verunstaltet war. Er hatte eine ziemliche Alkoholfahne, und auch sonst machte er einen recht ungepflegten Eindruck. Sören wollte schon auf Abstand gehen, da nahm er neben den Ausdünstungen von Fusel und Schweiß plötzlich den Geruch wahr, den er bei Steen in der Wohnung gerochen hatte.
    «Na, was wird das denn?», raunzte der Kerl Sören ungehalten an.
    Sören wich augenblicklich zurück. Er war ihm wohl etwas zu nahe gekommen. «Was arbeitest du?», fragte er freundlich.
    «Schauermann bin ich!», antwortete der Mann und blickte Sören misstrauisch an.
    «Und wonach riechst du?»
    «Sach ma, spinnst du!?» Der Mann wandte sich Sören zu und stemmte die Hände in die Hüften. «Na, nach Schweiß, nehm ich ma an», sagte er, nachdem Sören ihn unbeeindruckt freundlich anlächelte. «Ich hab zehn Stunden geschuftet – und das bei der Hitze.»
    «Nein, das meine ich nicht», erklärte Sören. «Es riecht irgendwie süßlich. Ich kenne den Geruch genau, aber es will mir verdammt nochmal nicht einfallen, was es ist.»
    «Ach das!» Der Mann lachte auf und griff sich in die Jackentasche. «Riecht man das wirklich?», fragte er und hielt Sören ein winzig kleines Stöckchen entgegen. «Nelken! – Ist heute ein Sack am Kran gerissen und alles durch die Luke auf uns runter. Der Kranführer ist an einem Ausleger an Deck hängen geblieben. Arme Sau. Mann, gab das ’nen Ärger   … Das Zeug ist schweineteuer. Gibt wohl heftig Abzug, schätze ich, oder er kriegt gar nicht erst wieder was. Dabei landet doch so oder so wieder alles bei denen, die uns bezahlen.»
    «Wie soll ich das jetzt verstehen?»
    Der Mann hatte inzwischen eine weniger bedrohliche Haltung angenommen und lehnte mit einem Arm auf dem Tresen. «Nun tu nich so», brummte er und versetzte Sören einen kumpelhaften Stoß gegen die Schulter. «Weiß doch jeder, wie das hier funktioniert: Vermittlung nur da, wo gesoffen wird. Und da, wo gesoffen wird, kommt der Lohn auch her, nich, Elsa?» Er warf der Bedienung einen Blick zu. «Denen gehört doch alles: die Schiffe, die Werften, die Waren   …» Er stockte für einen Moment. Dann schlug er mit der flachen Hand rhythmisch auf den Tresen, als könne er seinen Worten damit mehr Ausdruck verleihen. «Und die Kaffeeklappen und die Wirtschaften natürlich auch!»
    «Na klar.» Sören nickte zustimmend. «Genau wie die ‹Möwe› hier.» Er gab sich Mühe, seinen Worten einen resignierten Klang zu geben, als hätte auch er sich seit langem mit dieser Tatsache abgefunden. «Wem gehört die eigentlich genau?»
    «Keine Ahnung. Irgendeinem von denen. Die stecken doch alle unter einer Decke.»
    «Natürlich.» Sören wartete, bis der Mann seine Zeche gezahlt hatte. «Sag mal, kennst du zufällig einen Marten?», fragte er beiläufig.
    «Nö, wer soll’n das sein?»
    «Freund von mir», meinte Sören. «Hab ihn aus den Augen verloren.»
    «Nee, tut mir Leid, du. Aber der taucht schon wieder auf.» Er hielt Sören die flache Hand entgegen, auf der einige Nelken lagen. «Willste noch welche? Ich hab genug in den Taschen.»
    Sören nahm sich zwei. «Danke. Wo habt ihr denn gelöscht?»
    «Auf’m Grasbrook drüben, im Baakenhafen. – So, ich muss jetzt. Mach’s man gut.»
     
    Den Weg zu Hannes Zinken legte Sören zu Fuß zurück. Obwohl er ja inzwischen den direkten Weg zu ihm kannte, beschloss er, dennoch am üblichen Spiel festzuhalten. Während er abermals durch die Gänge gelotst wurde, überlegte er, was es mit den Nelken auf sich haben könnte. Es lag nahe, dass Marten Steen genau wie der Hafenarbeiter in der «Möwe» in irgendeiner Form mit Nelken in Berührung gekommen war. Wahrscheinlich reichte es schon aus, wenn man einige mit Nelken gefüllte Jutesäcke vor dem Bauch getragen hatte, um den Geruch anzunehmen. Alle schmutzigen Kleidungsstücke von Steen hatten danach gerochen. Aber es war wenig sinnvoll, sich im Baakenhafen nach Marten Steen zu erkundigen. Nelken wurden wahrscheinlich auch in anderen Häfen gelöscht. Und wenn Steen

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