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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Hochtouren, aber mit dem Aufenthaltsort von Ratte könne er bislang noch nicht dienen. Der Mann namens Gustav sei vermutlich ein Österreicher, der eine zweifelhafte Karriere als Söldner für unterschiedliche Armeen hinter sich hatte und sich hier seit einigen Monaten als Geldeintreiber über Wasser hielt. Genaueres würde er, Zinken, aber noch in Erfahrung bringen. Zum Aufenthaltsort von Ilse Mader berichtete er, man habe sie angeblich in einem Etablissement mit Namen «Wollers Stuben» gesehen, er hätte das allerdings noch nicht überprüfen können. Abschließend gab er Sören noch den Tipp, herauszufinden, wem die «Möwe» gehöre. Der Formulierung nach zu schließen hatte Zinken wohl etwas läuten gehört, wollte sich aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht konkreter dazu äußern. Vom Zustand seiner Nichte schrieb er nichts.
    Sören nahm sich vor, Hannes Zinken nachher noch einen Besuch abzustatten; vielleicht konnte der alte Ganovenhäuptling ihm bei der Überwachung von Steens Wohnung behilflich sein; außerdem war Sören das genannte Etablissement nicht bekannt. Eine Anfragebei der Gewerbeabteilung der Polizei hätte zwar schnell Abhilfe geschaffen, aber solange man nach Ilse Mader fahndete, galt es, keine schlafenden Hunde zu wecken. Der Weg zu Hannes Zinken war einfacher, und dabei konnte sich Sören auch nach dem Zustand des kleinen Mädchens erkundigen. Zuerst aber wollte er zur «Möwe», um herauszufinden, wem die Spelunke eigentlich gehörte. Fräulein Paulina schüttelte verständnislos mit dem Kopf, als er die Kanzlei wieder einmal als Hafenarbeiter verkleidet verließ.
     
    «Der Chef is nich da. Macht Besorgungen», erklärte die dicke Elsa, als Sören sich nach dem Pächter der Wirtschaft erkundigte. «Was willst’n von dem? Glaubste, der zapft besser?»
    Es kam Sören so vor, als hätte die Bedienung der «Möwe» seit seinem letzten Besuch noch ein paar Pfunde zugelegt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass in der Spelunke heute nicht so ein Gedränge herrschte und man Elsas ganze Ausmaße erst erkennen konnte, wenn sie frei im Raum stand. Im vorderen Teil der Kaschemme waren nur zwei Tische besetzt. An einem saßen drei ganz in Schwarz gekleidete Nietenklopper und spielten Karten, am Tisch dahinter trank eine Gang von Schauerleuten mit zwei Barkassenführern, wie an den Mützen unschwer zu erkennen war, um die Wette. Im hinteren Teil der Wirtschaft sah es ähnlich aus.
    «Warum ist das denn so leer heute?», fragte Sören und orderte ein Bier.
    Elsa zuckte mit den Schultern, soweit ihre Leibesfülle diese Bewegung ermöglichte. «Wohl wieder eine von diesen Versammlungen   … Du weißt schon, Gewerkschaft.» Sie deutete auf die Uhr hinter dem Tresen. «Eigentlichwar schon längst Schichtwechsel. Hecken wahrscheinlich wieder einen Streik aus, die Jungs. Und dann gibt’s Zoff hier, weil der Umsatz nicht stimmt.» Sie schob Sören sein Bier zu. «Außerdem habe ich gehört, dass es einige Fälle von Cholera in der Stadt gibt – der Chef is schon los, um mehr Klare zu ordern. Hehe, Schnaps is gut bei Cholera.»
    «Sag mal, warst du eigentlich hier, als man den Willy abgestochen hat?», fragte Sören, nachdem Elsa aus dem hinteren Teil der Wirtschaft zurückgekommen war.
    «Nee, hatte schon Feierabend.»
    «Und wie ist der Neue?»
    «Büschen grantig manchmal – aber schon in Ordnung», erwiderte Elsa. «Willste noch eins?» Sie deutete auf Sörens leeres Glas.
    Er nickte. «Ja, mach mir mal noch eins. Was ist eigentlich, wenn hier einer Schulden macht?»
    «Musst du doch wissen», antwortete sie. «Dann gibt’s Abzüge.»
    «Beim Lohn? Bislang hab ich noch nie auf Pump getrunken», erklärte Sören.
    «Na, was denkst du denn, wovon.»
    Sören nahm das nachgefüllte Glas entgegen. «Hat der Willy das häufiger gemacht? Also Lohn einbehalten?»
    «Ist vorgekommen.» Sie blickte Sören musternd an. «Sach mal, bist ’n Spitzel, oder warum willste das wissen?» Sie griff automatisch nach dem Geldschein, den Sören ihr hingehalten hatte.
    «Der ist schon echt», erklärte Sören leise, als sie den großen Schein zweimal kontrollierend umgedreht hatte. Zehn Mark waren als Trinkgeld deutlich zu viel. «Wer rechnet denn mit dem Pächter ab? Also, ich meine, wem gehört eigentlich die ‹Möwe›?»
    Elsa steckte den Schein blitzschnell in die Schürze. «Wem der Laden gehört, weiß ich nicht. Aber jeden Montag ist Zahltag – so gegen Mittag.»
    «Zahltag?»
    «Na ja, dann wird die

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