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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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gebrauchen.»
    «Worum geht es?»
    «Um die Überwachung einer Wohnung. St.   Pauli. In der Erichstraße. Ich muss nur wissen, ob da jemand rein- und rausgeht, und wenn ja, wohin die Person verschwindet.»
    «Kein Problem. Ludwig und David können das machen. Is ja nicht das erste Mal.»
    Sören hatte sich jeglichen Kommentar dazu verkniffen, warum die beiden Vierzehnjährigen als Beobachtungsposten schon so erfahren waren. Als Lohn für zwei Tage drückte er jedem der Jungen fünf Mark in die Hand, erklärte ihnen, worum es ging, und setzte sie hinter der Davidwache ab. Sie versprachen, sich Tag und Nacht auf die Lauer zu legen. Dann machte er sich auf den Weg zum Stadttheater. Heute würde Mathilda ihn sicher erwarten.

Gespräche 
    19.   August
     
    E s fiel Sören schwer, seinen Kopf freizubekommen. Am liebsten hätte er den Termin bei Senator Hachmann kurzfristig abgesagt und den ganzen Tag mit Mathilda verbracht. Aber das Gespräch mit dem obersten Polizeiherrn würde so oder so knapp und förmlich verlaufen. Mathilda hatte ihn sogar in seinem Entschluss bestätigt. Sie hatten den ganzen Abend über die Aufgaben und die Funktion der Politischen Polizei diskutiert und waren übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass man nicht Handlanger politischer Eingriffe sein durfte, die man von seinen Überzeugungen her nicht vertreten konnte. Mathilda hatte das zwar etwas schroffer und kämpferischer formuliert, aber im Prinzip entsprach es genau dem, weshalb Sören schon von sich aus zu dieser Entscheidung gekommen war.
    Nachdem Sören sie gestern vom Stadttheater abgeholt hatte, waren sie zuerst in besagter Localität am Botanischen Garten eingekehrt, deren Besuch Sören eigentlich am Abend zuvor geplant hatte, und hatten eine Kleinigkeit gegessen. Dann waren sie zu Sören nach Hause gefahren. Seine Reihenvilla wirkte im Vergleich zu den anderen Bauten in der Feldbrunnenstraße zwar eher bescheiden, aber Mathilda hatte trotzdem über die Ausmaße gestaunt. Vor allem Sörens Bibliothek hatte es ihr angetan. Um eine Erwiderung auf die Frage, warum so viele Zimmer in seinem Haus leer stünden, war er nicht verlegen gewesen. Mit einem Schmunzeln hatte er angedeutet, dass es ja nicht immer so bleiben müsse.
     
    Pünktlich um neun erreichte Sören die Senatskanzlei. Hachmanns Sekretär bat ihn um etwas Geduld, da der Senator überraschend Besuch von Medicinalrat Kraus bekommen habe. Eine überaus dringende Angelegenheit, wie er Sören versicherte. Bis die Unterredung beendet sei, möge der Gast doch bitte im Vorzimmer des Senators Platz nehmen. Nachdem der Sekretär ihm einen Tee gebracht hatte, schloss er die schwere Eichentür. Zuerst wollte sich Sören eine der gehefteten Zeitungen nehmen, doch er wurde abgelenkt durch die Stimmen von Hachmann und Kraus, die deutlich durch die gegenüberliegende Tür zu hören waren. Sören konnte zwar nicht jedes Wort verstehen, aber was er von der lautstarken Unterhaltung mitbekam, war durchaus interessant und entbehrte nicht einer gewissen Brisanz.
    «Seit gestern Abend haben auch mehrere private Ärzte bei mir Meldung gemacht. Die können es natürlich nicht nachweisen. Ich frage mich aber dennoch, wie lange das noch gut geht. Es wird nicht mehr lange dauern, bis man den Erreger in den Krankenhäusern isoliert hat. Und dann?»
    «Das lassen Sie mal ganz meine Sorge sein, mein lieber Kraus. Mit einer Epidemie hat das jedenfalls nichts zu tun.»
    «Ist ja auch mein Reden, verehrter Senator. Dr.   Rumpf war zwar sehr ungehalten, aber seine Theorien sind wirklich zu phantastisch. Er ist der Meinung, der Erreger würde sich über die Trinkwasserleitungen verbreiten.»
    «Über das Trinkwasser? Das ist ja lachhaft. So etwas habe ich noch nie gehört. Meine Güte, Kraus. Der Mann ist nicht nur unglaubwürdig. Nein, er würde sich und das gesamte Gesundheitswesen schlichtweg lächerlich machen, wenn er das in der Öffentlichkeit behauptet.»
    «Ich habe mir erlaubt, eine kleine Statistik zusammenzustellen: Die Personen, die in die Krankenhäuser eingeliefert wurden,
kommen zum überwiegenden Teil aus den Gängevierteln der Alt- und Neustadt. Vereinzelt gibt es auch Fälle in St.   Georg, rund um die Baumeisterstraße und Rostockerstraße, einige Verdachtsfälle aus Hamm und Billwärder Ausschlag sowie wenige Fälle aus Barmbeck und Winterhude. Sie kennen die Zustände in allen diesen Gegenden   …»
    «Allerdings, die kenne ich. Es wird Zeit, dass man in Hamburg flächendeckend

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