Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
Vom Netzwerk:
davon ausging, dass nach ihm gesucht wurde, war es eher unwahrscheinlich,dass er sich in der Öffentlichkeit blicken ließ. Sören dachte an die Reiskörner in der Wohnung. Reis war auch ein Handelsgut aus Übersee. Sicherlich lieferte diese Kombination einen Hinweis auf Steens Aufenthaltsort, aber in einem Gebiet wie dem Hamburger Hafen gab es Dutzende von Möglichkeiten, mit Reis und Nelken in Berührung zu kommen. Erfolgversprechender erschien es Sören da, Steens Aufenthaltsort über Gustav und Ratte in Erfahrung zu bringen. Aber die musste er erst einmal ausfindig machen. Keiner hatte ihm bezüglich der beiden weiterhelfen können, dabei waren sie doch eigentlich ein sehr auffälliges Gespann.
     
    Genau wie bei ihrem Treffen am Vortag saß Hannes Zinken auf dem alten Hocker und rauchte seine Pfeife, aber er blickte nicht einmal auf, als Sören den kleinen Platz zwischen den Fachwerkhäusern betrat, sondern starrte nur apathisch vor sich hin. Sören nahm wortlos neben ihm Platz.
    «Wie steht es um deine Nichte?», fragte er, nachdem sie mehrere Minuten schweigend nebeneinander gesessen hatten.
    Ohne den Blick zu heben, zuckte Hannes Zinken mit den Schultern. «Der Arzt sagt, es ist noch zu früh für eine Prognose.» Schließlich hob er doch den Kopf und blickte Sören mit traurigen Augen an. «Vielen Dank für alles.»
    «Nicht der Rede wert.»
    Der Alte paffte ein paar Rauchkringel vor sich hin. «Heute Nacht wieder zwei aus der Nachbarschaft. Das gleiche Bild. – Warum unternimmt man nichts?»
    «Ich kann es dir nicht sagen, Hannes.»
    «Hast du meine Nachricht erhalten?»
    Sören nickte. «Ging ja schnell.»
    «Ich hab dir doch versprochen, dass ich mich umhören werde.»
    «Wo finde ich ‹Wollers Stuben›?»
    «St.   Georg», antwortete Zinken und klopfte dabei seine Pfeife am Stuhlbein des Hockers aus. «Die genaue Adresse habe ich nicht parat, aber die Stuben liegen zwischen Böckmannstraße und Pulverteich. Sieht aus wie eine gewöhnliche Restauration und Gaststätte. Im hinteren Teil der Herberge findest du die Damen. Ziemlich schmieriger Schuppen.»
    «Die Polizei sucht Ilse Mader. Wird die Herberge nicht kontrolliert?»
    Sören konnte erkennen, wie Zinken seine rechte Augenbraue lupfte. Irgendwie schien er trotz seiner trübseligen Verfassung über Sörens Äußerung amüsiert zu sein. «Die Polizei sucht viele», erklärte er. «Hast du herausfinden können, wem die ‹Möwe› gehört?»
    «Bislang noch nicht», sagte Sören. «Wie kommst du eigentlich darauf, dass das von Interesse sein könnte?»
    Zinken wiegte den Kopf hin und her. Dann zog er einen Tabaksbeutel hervor und begann, seine Pfeife neu zu stopfen. «Es gibt Gerüchte, der Willy hätte Schulden gehabt.»
    «Das passt zu dem, was ich gehört habe», sagte Sören. «Ich bin bislang davon ausgegangen, jemand hätte bei Wilhelm Mader in der Kreide gestanden, und der hätte die Zechschulden mit der Lohnauszahlung verrechnet. Daraus ergibt sich zwar nicht zwingend ein Mordmotiv, aber wer weiß schon, wie weit einigen Leuten das Wasser bis zum Halse steht. Wenn aber der Willy Schulden gehabt hat, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild. Vor allem, wenn die Lohngelder von demjenigen kommen, der gleichzeitig die Pacht kassiert.»
    «So ist es», erklärte Hannes Zinken. «Die Arbeiter verdasseln in den Schänken ihren Lohn, um an neue Arbeit zu kommen, und die Schankwirte zahlen einen Teil ihrer Einnahmen demjenigen, der für die Lohnauszahlungen verantwortlich ist. Da wird die Pacht dann mit den Lohnauszahlungen verrechnet, und so fließt letztendlich ein großer Teil des Lohns zurück in die eigene Tasche.»
    «Raffiniert ausgedacht. Aber wie beweist man so etwas? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Namen der Eigentümer in den Grundbüchern mit denen, die die Hafenarbeiter bezahlen, decken werden. So dumm ist doch niemand.»
    «Keine Ahnung», entgegnete Zinken. «Ich kenn mich mit so ’m juristischen Krams nicht aus. Ist jedenfalls ein mieses Ding, was da läuft. Kann mir nur vorstellen, dass die sich untereinander absprechen. Eine Hand wäscht die andere   …»
    «Da sollte ich mich beizeiten mal drum kümmern. In der ‹Möwe› ist, was die Pachtgelder betrifft, Montag immer Zahltag. Man braucht sich ja nur auf die Lauer zu legen und den Weg der Gelder zu verfolgen.»
    «Das ließe sich durchaus arrangieren. Für so etwas habe ich meine Leute.»
    Sören nickte. «Wo du es sagst: Ich könnte zwei von deinen Jungens

Weitere Kostenlose Bücher