Der blaue Tod
Teile des Geldes in die eigenen Taschen zurückfließen zu lassen. Über Mittelsmänner, versteht sich.»
«Es ist ja allgemein bekannt», sagte Mathilda, «dass die Vermittlung in den Hafenwirtschaften abhängig vom Zechumsatz ist, aber einen solchen Hintergrund hätte ich nicht vermutet.»
«Es wird schwer nachzuweisen sein, aber du kannst sicher sein, dass ich mich der Sache annehmen werde», erwiderte Sören kämpferisch. «Vorerst konzentriert sich mein Interesse jedoch auf den Mord an Willy Mader, den Wirt und Pächter der ‹Möwe›. Dieses Local scheint auch zum Imperium der Smittens zu gehören. Ilse Mader erzählte mir, ihr Mann sei hoch verschuldet gewesen. Aber das allein rechtfertigt noch keinen Mord. Ich kann mir da noch keinen Reim drauf machen. Fest steht jedenfalls, dass man die Tat einem jungen Hafenarbeiter unterschieben will, der in besagter Nacht sturzbetrunken war und sich an nichts erinnert. Als Gegenleistung für das Schweigen zweier angeblicher Zeugen der Tat soll er übermorgen etwas für die beiden erledigen. Was, ist mir nicht bekannt. Der Mann ist untergetaucht. Bislang hatte ich noch keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Vielleicht halten ihn die beiden so genannten Zeugen auch versteckt. Ich habe jedenfalls seine Wohnung überwachen lassen …» Sören warf Mathilda einen langen Blick zu. «Es ist ein Desaster», sagte er schließlich. «Ich habe einen vierzehnjährigen Jungen damit beauftragt …»
«Und? Was ist ein Desaster?»
«Er liegt im Krankenhaus», sagte Sören leise undblickte beschämt zu Boden. «Brutal zusammengeschlagen. Wahrscheinlich von einem der beiden Ganoven, die den Hafenarbeiter erpressen.»
«Das ist ja furchtbar.» Mathilda legte Sören teilnahmsvoll eine Hand auf den Arm.
«Ich hole ihn, sobald es möglich ist, hierher. Ich hoffe, du hast Verständnis dafür. Ich habe da etwas gutzumachen.»
«Das ist doch selbstverständlich. Wie geht es dem Jungen denn?»
«Den Umständen entsprechend.» Sören zuckte hilflos mit den Schultern. «Ein gebrochenes Schlüsselbein, Prellungen, Platzwunden. Er sieht erbärmlich aus. Der behandelnde Arzt meinte zu mir, er brauche in erster Linie Ruhe, und am besten wäre es, wenn ich ihn so bald wie möglich holen würde. Im Krankenhaus herrschen Zustände … du machst dir keine Vorstellungen. Fälle von Cholera, wohin man auch blickt. Es werden täglich mehr.»
Mathilda war aufgestanden und hatte sich hinter Sören gestellt. Jetzt begann sie, zärtlich seine Schultern zu massieren.
«Ich bin vorhin noch runter zum Baakenhafen gefahren», sagte er. Mathildas Liebkosungen waren Balsam für seine Seele. Dennoch mochte er sich nicht so recht entspannen. «Das ist die Gegend, wohin der Junge seinem Peiniger, oder einem Komplizen von ihm, gefolgt ist. Du glaubst nicht, was ich dort entdeckt habe. An vier der Schuppen dort prangt der Name Smitten. Es scheint, als lösche die Reederei ihre Schiffe vornehmlich dort. Smitten! Was ich auch mache, überall stoße ich auf diesen Namen.»
«Vielleicht wartest du erst mal ab, was dein Gesprächmit Johanna von Wesselhöft ergibt.» Mathilda hatte sich an ihn geschmiegt, und ihre Hände tasteten sich langsam zu seinen Hemdknöpfen vor. «Du fährst doch morgen zu ihr?»
Sören lehnte sich zurück. «Worauf du dich verlassen kannst.»
Ehrensache
21. August
D as Hausmädchen, das Sören bereits am Vortag die Tür geöffnet hatte, ließ sich nicht anmerken, dass ihr der Gast eigentlich bekannt sein musste. Wahrscheinlich hatte sie vom Hausherrn entsprechende Anweisungen erhalten, mutmaßte Sören, als sie ihn nach seinem Begehr fragte, ohne eine Miene zu verziehen. Mechanisch nahm sie Sörens Karte entgegen, legte sie auf ein silbernes Tablett und führte ihn in dasselbe Zimmer, in dem er schon gestern gewartet hatte.
Nach einigen Minuten kam sie zurück, deutete genau wie am Tag zuvor einen höflichen Knicks an und blickte inszeniert zu Boden, während sie Sören die Tür aufhielt. «Die gnä’ Frau lassen bitten.»
Johanna von Wesselhöft machte eine flatternde Handbewegung, nachdem das Mädchen Sören in den Raum geführt hatte, in dem er gestern bereits von ihrem Mann empfangen worden war. «Lass uns allein, Lisbeth. Wir möchten nicht gestört werden.» Sie wartete einen Augenblick, bis das Mädchen die Tür geschlossen hatte, dann kam sie mit langsamen Schritten auf Sören zu. «Dr. Bischop.» Mit einer lasziven Geste streckte sie Sören ihre schmale
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