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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Gefühlsausbruch hätte Sören Johanna von Wesselhöft, die er bisher für äußerst beherrscht und gefühlskalt gehalten hatte, nicht zugetraut.
    Der Mann stand regungslos vor ihr. «Hätte ich mich weigern sollen, ihm zu sekundieren? Er war wie besessen.»
    Sören stieg vom Wagen und ging zu den Polizisten. «Was ist hier vorgefallen?», fragte er den Leutnant, der militärisch die Hacken zusammengeschlagen hatte, nachdem Sören erklärt hatte, wer er war.
    «Wie wir erfahren haben, hat es ein Duell gegeben. Heute am Morgen. Der Tote dort ist Senator von Wesselhöft.» Der junge Leutnant schluckte und deutete auf den Leichnam. «Ein Schuss ins Herz, wie es aussieht.»
    «Mit wem hat er sich duelliert?»
    «Das wissen wir nicht», antwortete der Polizist. «Der Fahrer des Senators dort, der wohl auch sein Sekundant gewesen ist, sagt aus, die Person wäre ihm nicht bekanntgewesen.» Er blickte beschämt auf den Boden und trat verlegen mit dem Stiefel auf einem vertrockneten Grasbüschel herum. «Nun ja, Duelle sind verboten.»
    «Wie haben Sie von der Sache erfahren?»
    «Ein Vorarbeiter von der Gas-Anstalt hat uns verständigt. Wir haben ihn schon vernommen, aber er konnte auch keine Angaben zur Person des Schützen machen.»
    «Ist die Criminal-Polizei verständigt?», fragte Sören.
    Der Leutnant nickte. «Telegraphisch. Als Dr.   Hartmann hörte, dass es sich um Senator von Wesselhöft handelt, meinte er, er käme persönlich. Er muss auf dem Weg hierher sein.» Er blickte zu Johanna von Wesselhöft, die sich anscheinend gefangen hatte. Sie stand mit einem der Constabler beim Leichnam und starrte wie gebannt auf den leblosen Körper ihres Mannes. «Mein Gott. Was mag nur in ihn gefahren sein.» Der Leutnant schüttelte verständnislos den Kopf. «Ich habe noch nie davon gehört, dass sich ein Senator duelliert hat. Die arme Frau   …»
    Sören ging zum Wagen des Senators, auf dessen Stufe der Fahrer saß und sich die Haare raufte. «Wie heißen Sie?»
    Der Mann blickte auf. «Johann.»
    Sören kniete sich neben ihn. «Mein Name ist Bischop. Ich arbeite als Advokat für Ihre Herrschaften.» Er drehte sich den Polizisten zu, um Johann gleichfalls zu signalisieren, dass sie ungestört reden konnten. «Wollen Sie mir erzählen, was vorgefallen ist?»
    Johann schaute ihn ängstlich an.
    «Keine Sorge», erklärte Sören in sanftem Ton. «Ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Mit wem hat sich der Senator duelliert?»
    «Es ist so furchtbar», stammelte Johann und fuhr sich erneut mit den Fingern durch die Haare.
    «Nun reden Sie schon. Danach wird es Ihnen besser gehen.»
    Johann starrte zu Boden. «Wohl kaum», murmelte er. «Es war der Bruder der gnädigen Frau.»
    Genau das hatte Sören erwartet. «Gunnar Smitten?», fragte er trotzdem, obwohl es völlig überflüssig war. «Hat er den Senator gefordert?»
    «Nein, umgekehrt», sagte Johann leise. «Der Herr Senator war so aufgewühlt   … Die ganze Fahrt über. Er war außer sich vor Zorn   … Sagte immer wieder, dass er seinen Schwager eigentlich hinterrücks erschießen oder am nächstbesten Baum aufknüpfen sollte.»
    «Hat er angedeutet, worum es ging?»
    Johann reichte ihm wortlos einen Umschlag.
    «Was ist damit?», fragte Sören.
    «Den hat der Herr Senator gestern Abend von einem Boten erhalten. Er hat mich beauftragt, ihn seiner Frau zu geben, falls er   … falls er   … Nun, Sie wissen schon.»
    «Haben Sie das gelesen?»
    Johann schüttelte den Kopf.
    Sören zögerte kurz und überlegte, ob es ihm zustand, fremde Post zu lesen. Aber wenn der Senator den Brief selbst erhalten hatte, dann gab dessen Inhalt womöglich den Grund für das Duell preis. Außerdem war der Umschlag nicht gesiegelt. Die Neugierde siegte. Er zog den Brief aus dem Couvert und las die Zeilen, die nicht unterschrieben waren:
     
    Sehr geehrter Senater, kennen Sie eigentlich die Tochter ihrer Frau Gemaahlin? Wohl nicht, wie ich annehmen darf. Vielleicht wird es Sie interesieren das der Vater dieses Kindes,
welches vor 21   Jahren das Licht der Welt erblikte, den gleichen Familiennamen wie die Mutter trägt.
     
    Polizeisekretär Ernst Hartmann traf etwa zwanzig Minuten später ein. Die Criminal-Polizei war, dem Anlass angemessen, gleich mit drei Wagen angerückt. Amtsmedicus Taubmann untersuchte den Leichnam des Senators, und die in Zivil gekleideten Criminalen verhörten alle Anwesenden. Hartmann ließ sich vom Polizeileutnant der Berittenen unterrichten, was dieser

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