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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Sache Kenntnis habe. Ich für mein Teil werde zumindest nichts verlauten lassen.» Er deutete ein Lächeln an und streckte Sören die Hand zur Verabschiedung entgegen. «Auf Wiedersehen, Herr Dr.   Bischop.»
     
    «Das klingt ungeheuerlich.» Mathilda schüttelte ungläubig den Kopf, nachdem Sören ihr erzählt hatte, dass Johanna von Wesselhöft nicht nur eine geborene Smitten war, sondern allem Anschein nach auch die Mutter des verschwundenen Kindes. Sie reichte Sören eins von den Broten, die sie geschmiert hatte, und goss Wein in die beiden Gläser. «Aber in welcher Form will sie sich um das Kind kümmern, wenn sie ihrem Mann nichts davon erzählt hat?»
    «Ich weiß auch nicht, was ich von der Sache halten soll. Johanna von Wesselhöft dürfte vor gut zwanzig Jahren jedenfalls selbst noch ein halbes Kind gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mich bezüglich des Alters auch angelogen hat, andernfalls hätte ich das Kind kaum ausfindig machen können. Aus demselben Grund nehme ich ihr auch ab, dass sie nicht weiß, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt.»
    «Und wenn es doch das Kind ihrer Schwester wäre?»
    «Auszuschließen ist das nicht», erwiderte Sören, «aber mein Gefühl sagt mir, dass es ihr Kind ist. Ich bin gespannt, was für eine Geschichte dahinter steckt.» Er nahm einen Schluck. «Damals gab es jedenfalls noch keine Reederei Smitten. Ihr Vater, Oscar Smitten, hatte zahlreiche Gastwirtschaften und Herbergen in der Stadt. Darunter wohl auch einige üble Spelunken und Bordelle. Natürlich wird in der Öffentlichkeit nicht erwähnt, womit die Familie zu Geld gekommen ist. Aus der gleichen Quelle habe ich auch erfahren, dass Smitten ziemlich viele Liebschaften gehabt hat.»
    «Die Quelle ist diese Hure, bei der du gestern warst?»
    «So wie du es aussprichst, könnte man denken   …»
    «Du weißt, was ich meine», fiel Mathilda ihm ins Wort.
    «Ich will dich doch bloß ein bisschen aufziehen.» Sören prostete ihr zu. «Natürlich blieben einige seiner Eskapaden nicht ohne Folgen. Die Früchte seiner Liebschaften schob er als Kostkinder einer Landamme unter, die zeitweilig auch in seinen Häusern als Beherbergerin arbeitete.»
    «Inge Bartels.»
    «Genau», entgegnete Sören. «Und dasselbe tat er auch mit dem ungewollten Kind seiner eigenen Tochter. Dieser Mann scheint wirklich frei von jedem Skrupel gewesen zu sein; denn er muss gewusst haben, dass die Bartels die Mädchen regelrecht als Prostituierte ausgebildet hat.»
    «Seine eigenen Töchter und Enkeltöchter?» Mathilda verzog angewidert ihr Gesicht.
    «Aus den Augen – aus dem Sinn.» Sören legte seinBrot zurück auf den Teller. «Irgendwie ist mir der Appetit vergangen», sagte er entschuldigend und leerte sein Weinglas in einem Zug.
    Mathilda fasste nach seiner Hand. «Kein Wunder, bei der Geschichte.»
    «Irgendwann hat Smitten dann die Reederei gegründet», fuhr Sören fort. «Wahrscheinlich hatten ihm seine unehrenhaften Geschäfte so viel eingebracht, dass er sich ein seriöses Umfeld schaffen musste, damit sich niemand fragte, wie er seinen opulenten Lebensstil finanziert. Und bei einem erfolgreichen Kaufmann gesellt sich zum Wohlstand ja fast automatisch das Ansehen. Zumindest in dieser Stadt. Tja, und dass er die Familie durch die Heirat seiner Tochter Johanna mit der alteingesessenen Senatorenfamilie von Wesselhöft verschwägerte, war dann das Sahnehäubchen. Nun hatte er alles erreicht, was in Hamburg zählt. Anfang des Jahres ist Oscar Smitten gestorben. Zumindest darin hat Johanna von Wesselhöft mich nicht belogen.»
    «Wenn ich an eine Hölle glauben würde, wünschte ich ihm, darin zu schmoren.» Mathilda schenkte Wein nach und nahm sogleich einen kräftigen Schluck. «Er muss ein wahres Ungeheuer gewesen sein.»
    «Und in seinem Sohn wird er einen würdigen Nachfolger gefunden haben», spekulierte Sören. «Gunnar Smitten hat nicht nur die Reederei seines Vaters übernommen, sondern anscheinend auch die anderen, immer noch lukrativen Einnahmequellen. ‹Wollers Stuben› gehören Smitten genauso wie weitere Localitäten, Kaffeeklappen und Hafenwirtschaften. Die Reeder und andere Arbeitgeber im Hafen scheinen sich wirklich zu einer Art Kartell zusammengeschlossen zu haben. Diese Vermutung wurde ja neulich Abend auf der Versammlungbei Auer & Co. schon angesprochen. Anscheinend hat man durch die Verpachtung der Hafenschänken, wo ja der Lohn ausgezahlt wird, eine Möglichkeit gefunden,

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