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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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machen, wenn ich handfeste Beweise gegen Smitten in der Hand halte.»
    Sören nickte und reichte ihm die Hand zum Abschied. «Du hörst von mir, Ernst.» Auf dem Weg zu seinem Wagen blieb er kurz neben Johanna von Wesselhöft stehen, blickte sie an und reichte ihr das Couvert. «Sie hätten es mir sagen sollen.» Sie wandte den Blick ab.
    Sören bestieg seinen Wagen und fuhr in Richtung Schaarmarkt. Es konnte dauern, bis Hartmann Beweise gefunden hatte, und so viel Zeit blieb Sören nicht. Morgen war Stichtag. Auch wenn er immer noch keine Vorstellung davon hatte, was Marten Steen für die beiden erledigen sollte, war er sicher, dass sich Steen nur bis morgen versteckt hielt. Er wollte so oder so mit Hannes Zinken über David sprechen. Bei dieser Gelegenheit konnte er Hannes auch gleich fragen, ob er Leute für einen verkürzten Amtsweg zur Verfügung stellen würde. So, wie man David zugerichtet hatte, musste sein Vorschlag für Hannes’ Leute eigentlich eine Ehrensache sein.

Hoher Besuch
    22.   August
     
    N atürlich hatte Sören sofort an Cholera gedacht, als man ihm am nächsten Morgen bei der Firma Beiersdorf in Eimsbüttel mitteilte, Altena Weissgerber sei auf dem Weg ins Eppendorfer Krankenhaus. Der Schreck war ihm offenbar anzusehen. Zumindest hatte ihm der Pförtner gleich ein Glas Wasser angeboten und gefragt, ob ihm nicht wohl sei. Dann hatte der Mann ihm erklärt, Altena Weissgerber begleite eine Arbeitskollegin, die am Morgen mit dem Arm in ein elektrisches Rührgerät geraten sei. Es sei wahrscheinlich weniger dramatisch, als es sich anhöre, aber der zuständige Abteilungsleiter habe darauf bestanden, dass die Arbeiterin unverzüglich ins Spital müsse.
    Auf dem Weg ins Krankenhaus dachte Sören noch einmal darüber nach, worüber er gemeinsam mit Mathilda schon die ganze Nacht gegrübelt hatte. Wenn Smitten tatsächlich hinter dem Mord an Willy Mader steckte, dann konnte es eigentlich kein Zufall sein, dass es gerade der Freund seiner vermeintlichen Tochter war, dem er die Tat zwecks Erpressung in die Schuhe schieben wollte. Aber das setzte voraus, dass Gunnar Smitten wusste, wer Altena Weissgerber war. Und genau das hatte Mathilda bezweifelt. Ihrer Meinung nach schwebte Altena Weissgerber in riesiger Gefahr, und je mehr Sören darüber nachdachte, desto plausibler erschien ihm das. Smitten würde alles daransetzen, sein früheres inzestuöses Verhältnis mit seiner Schwester zu verschleiern. Vor allem musste ihm daran gelegen sein, Inge Bartelsaus dem Weg zu schaffen. Sören hatte schon spekuliert, ob Smitten Marten Steen genau dafür gewinnen wollte, aber es ergab keinen Sinn. Wenn Gustav und Ratte tatsächlich im Auftrag von Gunnar Smitten arbeiteten, dann hatte der bereits genug Leute an der Hand, die auch vor einem kaltblütigen Mord nicht zurückschreckten. Nein, es musste einen anderen Hintergrund geben. Aber welchen nur? Gab es ein Verbrechen, für das der Täter ein bisher unbescholtener Arbeiter sein musste und kein Berufskrimineller?
     
    Als Sören etwa zwanzig Minuten später das Eingangstor zum Eppendorfer Krankenhaus passierte, bot sich ihm ein Bild des Grauens. Drei städtische Krankenwagen standen in der Auffahrt, aber offenbar wurden die Träger daran gehindert, die Patienten auf Tragen des Krankenhauses umzubetten, da sie entweder im Sterben lagen oder bereits tot waren. Ein junger Arzt und zwei Krankenschwestern dirigierten die Träger zu einem abseits gelegenen Platz, den man mit hölzernen Planken umfriedet hatte. Sören warf einen Blick hinter den provisorischen Zaun: Auf dem Boden lagen Dutzende von Leichen, die man in Leinentücher gehüllt hatte. Ein erbärmlicher Gestank breitete sich aus, Sören musste sich fast übergeben. Unzählige Fliegen und Brummer schwirrten über den mit Kot und Dreck verunreinigten Leichentüchern. Auf der anderen Seite der Abgrenzung waren Arbeiter mit Tüchern vor dem Gesicht damit beschäftigt, die Toten in einen Möbelwagen zu laden. Aber die Anzahl der Leichen auf dem Platz schien sich nicht zu verringern, da ständig neue Verstorbene auf das Gras gelegt wurden.
    Auf den Gängen des Hauptgebäudes herrschten ähnlicheZustände. Zu beiden Seiten des Flurs lagen auf Rollwagen Tote bereit zum Abtransport. Dazwischen waren ein paar Frauen damit beschäftigt, die verunreinigten Böden zu säubern. Sie hatten sich ebenfalls Tücher um Mund und Nase gebunden. Der Gestank war kaum auszuhalten. Hinzu kam die grausige Geräuschkulisse. Fast hinter

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