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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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wieder links.
    Unser Favorit blickte nicht so wütend wie sein Gegner; er war bloß konzentriert. Vielleicht dachte er ja nicht an den ganzen Menschen, sondern nur an die Teile, die er gut treffen musste.
    Beest schlug inzwischen öfter zu und würde trotzdem verlieren. Das konnte sogar ich erkennen. Jedes Mal, wenn der Gong eine neue Runde einläutete, stürzte er sich auf Bril. Immer öfterwurde er zurückgepfiffen und mit ernsten Worten bedacht, doch Beest schien die Zurechtweisungen kaum mehr zu hören.
    »Mach ihn fertig, Junge«, riefst du, »los, mach ihn fertig!«
    Vielleicht hätte ich mich vor dir gefürchtet, wenn du mir nicht die Geschichte vom Vulkan erzählt hättest. Weißt du noch? Einmal, als du furchtbar wütend warst, merktest du, wie sehr ich mich ängstigte, und sagtest, du seist ein Vulkan – ein grollender Berg, der die Leute vom Schlafen abhalte.
    »Niemand weiß, wann ich ausbrechen werde, außer dir.«
    »Wie denn?«
    »Wenn mir Dampf aus den Ohren quillt, dann weißt du, dass es nicht mehr lange dauert.«
    Ich blickte hoch. Ein Dunstschleier lag um deinen Kopf, doch ich sah nicht das kleinste Dampfwölkchen aus deinen Ohren kommen.
    Der Gong ertönte wieder. Der Mann in der Mitte schob die Boxer auseinander. Jeder von ihnen wurde in seiner Ecke abgerieben und bekam etwas zu trinken. Um den Ring palaverten alle lautstark, dann gab man dem großen Mann ein Zeichen. Er rief die Burschen wieder zu sich, packte sie bei den Handgelenken. Bennie stand mit gesenktem Kopf da, sein pomadisiertes Haar immer noch ordentlich gescheitelt.
    »Pass gut auf!«, sagtest du, als würde etwas Unerwartetes bevorstehen.
    »Und der Sieger i-hi-ist … Bennie … Bril!«
    Bevor ich wusste, wie mir geschah, saß ich auf deinen Schultern. Als hätte ich den Wettkampf gewonnen. Der junge Boxer ging in den Umkleideraum. Seine Brust war nass. Alle klopften ihm auf die Schultern, riefen: »Gut gemacht, Ben!« Mir war klar, dass der Sieger müde war, erschöpft, doch seine großen Augen sahen aus, als würde immer noch Feuer darin lodern.
    Langsam setzten sich die Männer in Bewegung. Einer nach dem anderen verschwand in der Luke. Du unterhieltest dich mit einem Mann im Sportdress. Ab und zu warft ihr mir einen Blick zu. Und lächeltet. »Na komm, du Leichtgewicht«, sagtest du, »ab nach Hause.«
    Draußen zupfte ich an deiner Jacke und flüsterte: »Das da, da drinnen, das will ich auch.«
    Wir gingen durch die Wagenstraat, bogen nach links, nach rechts, folgten der Amstel. Ab und zu rief jemand »Meijer!«, doch du schienst es gar nicht zu hören. Erst in der Tolstraat sagtest du wieder etwas. »Weißt du, von wem Bennie Bril das hat, diese Art, sich zu bewegen? Von den Tigern und Pumas im Zoo.«
    Als wir zu Hause ankamen, saß Mevrouw Van Groen am Fenster. Ich winkte. Du nicktest. Wir stiegen die Treppe hinauf. Du drehtest leise den Schlüssel im Schloss um und sagtest: »So, jetzt wollen wir deine Mutter mal ärgern.«
    Sie erwartete uns bereits. Irgendwie war sie uns auf die Schliche gekommen. »Du nimmst den Jungen nie mehr dahin mit!«
    »Dann geht er eben selbst zum Boxen«, sagtest du, »eins von beidem.«
    Ich hielt die Luft an. Noch nie hatte ich mir etwas so sehr gewünscht. Das Gezanke, das auf diese Worte folgte, nahm ich in Kauf. Nach einer Weile einigtet ihr euch, an meinem zwölften Geburtstag würde ich in den Boxclub Olympia eintreten. Ich war überglücklich: Ich durfte zum Boxen, und ihr hattet, zum ersten Mal seit Langem, einen Kompromiss gefunden.
    Mein Vater versetzt dem Bett einen Tritt. Die Erschütterung verursacht mir Schmerzen, doch ich schweige. Seine Augen funkeln.
    Siehst du nun, dass ich dich genauso lieb hatte?
    Ich bejahte, aber als ich ihn frage, ob er Mama ebenfalls geliebt habe, ballt er nur die Fäuste und ruft: »Na, was ist? Boxen? Boxen?«
    Dabei schaffe ich es bloß noch, die Hand zur Brust zu führen, um mich zu kratzen, wenn es juckt. Ich kann die Hand nicht mehr zur Faust ballen, geschweige denn zuschlagen.
    Dann war es also doch das letzte Mal gewesen, an jenem Morgen in Luizãos kleiner Sporthalle.
    Sie machten sich über mich lustig. Das war mir schon klar. »Hopp, hopp, Azulão! Weiter mit deinen langen Stelzen!«
    Lahm wie ein alter Zirkusgaul schleppte ich mich mit meinem großen Körper Runde für Runde durch den Ring. Meine Oberschenkel füllten die Hosenbeine der Shorts immer noch größtenteils aus, doch meine Beine waren krumm und schief geworden, und beim

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