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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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hier!«
    Du klettertest weiter, bis dein Oberkörper im Raum war, und dann bliebst du stehen, dein muskulöser Hintern in einer engenHose gefangen. Man begrüßte dich überschwänglich, die Leiter wippte auf und ab.
    »Los, komm«, riefen die Männer, und du schobst dich ganz in den Raum. Jetzt war der Durchgang frei, und plötzlich drangen Licht und Lärm mit solcher Gewalt zu mir herunter, dass ich mich an der Leiter festhalten musste. Ich atmete tief ein und nahm zwei Sprossen auf einmal. Dein Arm kam wie eine dicke Schlange herab. Du packtest mich und zogst mich das letzte Stück hinauf.
    Ich erblickte eine Gruppe von gut fünfzig Männern Schulter an Schulter auf Holzbänken. Sie sahen dir alle ein bisschen ähnlich, diese Männer in der Wagenstraat. Einige waren etwas größer als du, die meisten ein bisschen kleiner, doch alle strahlten dieselbe Unbeugsamkeit aus.
    Ich folgte deinem Blick und sah zu der erhöhten Plattform in der Mitte des Dachgeschosses. »Die Bima …«, flüsterte ich. Du beugtest dich zu mir hinunter und fragtest: »Was hast du gesagt, mein Junge?«
    »Da, die Bima!«
    Du stießest deinen Nebenmann an und sagtest: »Hast du gehört, was der Kleine gesagt hat? Die Bima!«
    Dann habt ihr beide gelacht, weißt du noch? Und ich wollte dir gerade sagen, ich wisse sehr wohl, dass das hier nicht die Schul sei, als plötzlich jemand rief, wir sollten mal still sein. Alle hörten auf ihn.
    »Und jetzt, meine Herren«, fuhr der Ansager fort, »darf ich um Ihre besondere Aufmerksamkeit für Bril und Beest bitten!«
    Für einen Augenblick – darüber hättest du ruhig lachen dürfen – dachte ich, dass gleich ein echtes Biest, ein böser Hund oder gar ein Tiger, käme und klammerte mich an dein Sakko. Ich spürte, wie deine Brust schwoll, und als ich dir ins Gesichtsah, glänzten deine Augen im Schatten der Hutkrempe. Ich habe nie vergessen, wie sehr ich mich erschreckte, als du plötzlich losschriest.
    »Mach ihn platt, Bennie!«
    Ich erkannte deine Stimme nicht wieder. Ich konnte kaum glauben, dass dieses Gebrüll von dir kam. Dass du so etwas überhaupt denken konntest.
    Ein ernst dreinblickender junger Mann stieg zwischen den Seilen hindurch auf die Plattform. Sein glatt gekämmtes schwarzes Haar war streng gescheitelt. Auf seine weite, weiße Hose war ein blauer Davidstern aufgestickt. Er wartete, auf und ab hüpfend, bis sein Gegner in den Ring geklettert war.
    »Bra…ham … Beest!«, rief der Mann in der Mitte. Er zog Bennie und Beest zu sich.
    »Das ist der Chasan«, sagtest du, »und gleich singen wir alle zusammen.«
    Ein Gong ertönte, gefolgt von weiterem Gebrüll. Bennie tänzelte los. Es sah aus, als würde er einfach nur ein bisschen zum Spaß hin und her springen, doch plötzlich schnellte sein linker Arm vor und seine Faust traf mit einem dumpfen Schlag den Kopf von Bram Beest.
    Das Publikum johlte. Beest drohte zu Boden zu gehen. Das konnte nicht sein, er musste doch stehen bleiben! Um zurückzuschlagen oder um noch mehr Schläge einzustecken. Das war mir ganz egal …
    Kannst du dich noch an das eine Mal erinnern, als ich Seno geschlagen habe? Er saß weinend auf der Couch. Mit blutiger Lippe.
    »Sieh mal, was du da angerichtet hast«, sagte Mama, »das macht man nicht, Jonah. Du darfst deinen Cousin nicht schlagen!«
    Mit strengem Blick baute sie sich vor mir auf und schob mit den verschränkten Armen ihren Busen hoch. Du standest hinter ihr und strecktest den Daumen in die Luft. Als Mama sich umdrehte, verbargst du deine Hand hinter dem Rücken, als wäre sie ein Geschenk.
    »Sag doch auch mal was, Meijer!«, zischte sie.
    »Hör auf deine Mutter, Jonah.«
    Murrend stampfte sie in die Küche.
    »Mach dir nichts draus«, flüstertest du damals.
    Es war mir wirklich ganz egal, Hauptsache, der Kampf ging weiter. Nach ein paar Schlägen traute ich mich auch zu brüllen. Und da saßen wir dann, alle zusammen, und sahen uns etwas an, was es eigentlich nicht geben durfte, aber das kümmerte niemanden.
    Der Boden bebte.
    Es sah aus, als wäre der gesamte Staub des Dachbodens im Schein der auf den Boxring gerichteten Lampen gebündelt. Bennie schlug Beest und Beest schlug Bennie. Niemand fand das schlimm. Der große Mann im Viereck rief ab und zu etwas, und dann hörten die beiden widerwillig auf. Die Mahnungen richteten sich meist an Beest. Bennie Bril war schneller, seine Linke holte öfter aus.
    Ich saß auf deinem Schoß. Zusammen bewegten wir uns mit Bennie mit: links, rechts und

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