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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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bringen zu lassen. Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn die Finger der linken Hand in die Rechte legen und geziert seine Nägel inspizieren.
    »Ihr verständnisvolles Schweigen, wenn ich so sagen darf, hat mich schon einmal zu einer gewissen Aufrichtigkeit verleitet. Darf ich nun einen Schritt weitergehen und Ihnen etwas gestehen?«
    Er wartet meine Antwort nicht ab, sondern beugt sich vor und kommt bis auf ein paar Zentimeter an mein Gesicht heran. Der Abstand zwischen seiner Nase und der Oberlippe ist unwahrscheinlich groß und wird durch einen tiefen Einschnitt in zwei gewölbte Hälften geteilt. Erst denke ich, dass er mich gleich küssen will, doch stattdessen legt er mir den Mund ans Ohr und flüstert mir etwas zu. Sein warmer Atem kitzelt mich, ich kann die Töne, die er hervorbringt, erst nach einer Weile zu Worten zusammensetzen.
    »Eva heißt sie. Sehr zuverlässig. Ausgesprochen reinlich. Ganz reizende Person. Und gut aussehend obendrein. Ach, was sage ich? Nichts ›obendrein‹! Sie war schlicht bildhübsch. Vor allem ihre Büste oder besser gesagt bloß ihre Brüste, wenn ich es recht bedenke, ich konnte die Augen gar nicht davon lassen. Das war aber auch nicht Sinn der Sache, glaube ich, sie hatte nämlich immer Shirts mit V-Ausschnitt an, und man konnte alles herrlich hin- und herwogen sehen – wenn Sie verstehen, was ichmeine. Sie nehmen es mir doch nicht übel, Jacobson, dass ich anfing, vom körperlichen Kontakt mit der Haushaltshilfe zu träumen? Das ist doch nicht verboten? Diese Fantasien hatten, genau genommen, nicht mal direkt mit ihr zu tun; ich stellte mir vor allem vor, wie es wäre, diese herrlichen dicken Titten anzufassen – ja, Entschuldigung, ich kann mich selbst bei diesen Träumereien nicht beherrschen. Einfach nur mal eben meine Hände darauflegen, das hätte mir genügt. Na gut, und dann eines Tages …«
    Der Mann, nein, ich spreche es jetzt einfach mal aus: Delmonte, der sich als Kaptein ausgibt, quasselt in einer Tour. Seine sonore Stimme wirkt hypnotisierend auf mich. Typisch Delmonte – jemanden, der bereits auf den Brettern liegt, noch weiter zu belästigen.
    Am liebsten würde ich ihn so hören und sehen, wie ich ihn gekannt habe, und mich an die Geschichte erinnern, wie sie sich in Wirklichkeit abgespielt hat, anstatt mir dieses Geschwätz noch länger anhören zu müssen.
    Mein verständnisvolles Schweigen? Na warte, Delmonte, dir verpasse ich noch eine Linke. Jedenfalls, wenn du dich traust, einen Moment stehen zu bleiben. Durch die ganze Stadt bin ich dir nachgejagt. Eva? Bestimmt eine der Damen von der Ruysdaelkade, oder? Bei Sal Meijer kennen sie dich noch, Bobby. Einer von denen meinte sogar, du wärst ein Held des Widerstands! Das ist dir gut gelungen. Dabei hat niemand den Hitlergruß so schneidig hinbekommen wie du. Mit dem Stern bist du herumstolziert, als wäre es ein schickes Einstecktuch, verflucht! Und dann all die Freunde beim Judenrat, und deine anderen Verbindungen und Adressen. Mutter fand dich höflich. Nein, wie sagte sie gleich noch mal?
    »Höflich, gut aussehend und zuverlässig.«
    Weil du ihren Bruder Louis nach der schlimmen Sache im Eissalon von Kohn und Cahn gewarnt hattest. Dass sie seitdem nichts mehr von ihm gehört hatte, war ihr der beste Beweis für deine Zuverlässigkeit; offenbar hattest du Louis die perfekte Adresse zum Untertauchen besorgt. Landau hatte irgendetwas über ein Lager aufgeschnappt, etwas, was klang wie »aufbrausen«, und dass Louis einer derjenigen war, die dorthin abtransportiert worden wären, doch weil Mama sich damals sehr ängstigte, hatte er nur mir davon erzählt. Für Landau stand fest, dass wir die Auserwählten Gottes waren und uns also nichts zustoßen konnte. Außerdem war er überzeugt, dass sich die Deutschen Hitlers Dreistigkeit nicht gefallen lassen würden. Seine Dreistigkeit! Als wäre der Kerl einfach nur unsympathisch.
    Ich hatte keine Lust, mit Landau zu streiten, und hielt es für besser, ihm diese Wahnvorstellung zu lassen, so wie er wiederum meine Mutter vor einer Wahrheit schützen wollte, die sie vermutlich nicht ertragen hätte.
    »Das sind Arbeitslager«, sagte Landau, und das Einzige, was er daran auszusetzen hatte, war, dass man dort keinen Lohn für seine Arbeit bekam.
    Du hast doch gewusst, was da los war, Delmonte, oder? Meiner Meinung nach wusstest du alles, von Anfang an. Auch das, was erst noch geschehen würde.
    Damals hast du besser ausgesehen, das muss ich schon sagen. Ich weiß

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