Der Blaumilchkanal
zur Reparatur hinreißen. Offenbar plagte ihn aber mitten in der Arbeit das Gewissen, er packte sein Werkzeug wieder ein und sah zu, daß er nach Hause kam. Zu spät. Seine Frau ließ ihn nicht mehr in die Wohnung, da inzwischen der Apotheker von nebenan ein Fax des Rabbinats erhalten hatte, es dürfe dem Frevler kein Milchpulver fürs Baby mehr verkauft werden, andernfalls würde der gesamte Vorrat des Apothekers an Aspirin zu unreinen Mottenkugeln erklärt werden.
Zu guter Letzt wurde die Angelegenheit in einer außerplanmäßigen Regierungsdebatte erörtert, und nach langwierigen Beratungen der Koalitionsparteien fand sich ein Kompromiß, und der Chefredakteur von »Der Morgen« ißt jetzt nur noch koschere Wurst.
Die »Blackprint-Affäre« ist somit abgeschlossen. Mit polizeilicher Genehmigung Öffnen wir »Die Akte Forkle-witsch«. Darüber wagte ich seinerzeit die folgende Tragikomödie zu schreiben, die genau so in der israelischen Presse veröffentlicht wurde.
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ABER MOSES NAHM KEINE ZINSEN
Der Überfall auf das Bankhaus Forklewitsch war kein gewöhnlicher Bankraub.
Die Räuber, vier bärtige Männer in langen schwarzen Kaftans, steuerten geradewegs auf das Büro des Chefs zu. Dort folgte zunächst ein heftiger Wortwechsel zwischen Herrn Theodor Forklewitsch und seinem Schwager Rabbi Zalman, dem Anführer der Bande. Dann fesselten die vier Chassidim den Bankier an seinen Stuhl und stürmten den Kassenraum. Der Kassierer gab nach einigen kräftigen Keulenschlägen auf seine Schädeldecke jeden Widerstand auf und mußte hilflos zusehen, wie die Räuber den Safe leerten und sich mit 430000 Scheitel in bar aus dem Staub machten.
Gleichzeitig mit der Nachricht vom Raubüberfall verbreitete sich die Version, es handle sich um einen Familienzwist. Jedenfalls berichteten die Schüler des Rabbi Zalman von einer schweren Verstimmung zwischen dem gottlosen Bankier und seinem frommen Schwager, wobei die Höhe der Kreditzinsen, die die Bank erhob, eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Rabbi Zalman hatte seinen Schwager mehrfach wissen lassen, daß er ein solches Verhalten in seiner Familie nicht dulden würde, und hatte, gemäß der rabbinischen Vorschrift: »Wer sich durch seine Handlungsweise einer Strafe aussetzt, hat Anspruch darauf, gewarnt zu werden«, über dem Eingang zur Forklewitsch-Bank ein großes Transparent anbringen lassen. Darauf waren die heiligen Worten des Buches Leviticus zu lesen: »Du sollst von deinem Nächsten nicht Wucher noch Übersatz nehmen.« Seine Warnung stieß auf taube Ohren. Die Forklewitsch-Bank verlieh weiterhin Geld gegen Zinsen, wie jede andere Bank im Lande auch. Und dafür wurde sie jetzt bestraft.
Kein Wunder, daß sich daraufhin das Verhältnis zwischen den beiden noch weiter verschlechterte. Forklewitsch rief seine Schwester an und bat sie, bei ihrem Gatten ein gutes Wort einzulegen. Rabbi Zalmans einzige Antwort war ein weiteres Zitat aus dem Buch Exodus: »Wenn du Geld leihest meinem Volke, das arm ist bei dir, so bringe es nicht zu Schaden und lege ihm keine Zinsen auf.«
Es war ein schwerer Zwiespalt, in dem sich Herr Forklewitsch befand. Auf der einen Seite sein Schwager, der aufgrund seiner Gottesfurcht und seines frommen Beharrens auf den traditionellen Werten des Judentums überall hoch angesehen war, auf der ändern Seite seine Bank, die ohne Liquidität in Schwierigkeiten geraten würde. Einige Persönlichkeiten des orthodoxen Lagers, die Forklewitsch um Unterstützung bat, zeigten zwar ein gewisses Verständnis für ihn, verhehlten aber nicht, daß sie ihn für den Schuldigen hielten. Sie erinnerten ihn an die Talmudlegende vom Kamel, das Hörner haben wollte und statt dessen einen Buckel bekam. Schließlich rieten sie ihm, die Regierung um eine Subvention zu bitten. Forklewitsch, der Abenteuer gerne mied, bedankte sich fluchend und entschloß sich zu einem ebenso unjüdischen wie unbrüderlichen Schritt, er verständigte die Polizei.
Die Polizei zögerte. Offensichtlich wollte sie sich in eine Familienaffäre mit religiösem Hintergrund nicht einmischen. Erst als Forklewitsch drängte, wurde Rabbi Zalman zu einem Gespräch auf die Polizeistation gebeten.
Der Rabbi, eine patriarchalische Erscheinung von imposanter Größe, bestritt zwar nicht, daß Moses in seinem dritten Buch gesagt hatte: »Du sollst wiedergeben, was du mit Gewalt genommen hast«, parierte aber mit einem Zitat von Jeremia: »Ich will euch heimsuchen,
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