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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Jahre sollt ihr eure Felder besäen«, fuhr Moses fort, »und eure Weinberge beschneiden und die Früchte einsammeln. Im siebenten Jahre aber soll das Land seine große Feier dem Herrn feiern, und sollt eure Felder nicht besäen noch eure Weinberge beschneiden.«
    Moses klappte das Protokollbuch zu. Eine Pause ent-gtand. Dann nahm Bunzl das Wort:
    »Du siehst, König der Könige, es heißt ausdrücklich: eure Felder. Somit bezieht sich Dein Gebot nicht auf fremden Landbesitz.«
    »Von Landbesitz ist nirgends die Rede«, widersprach Gott, aber es klang ein wenig unsicher. »Herr der Welt, das Rabbinatsgremium der Orthodoxen Partei hat diese Interpretation des Textes auf einer eigens einberufenen Tagung feierlich gebilligt.«
    »Wurde das Schofar geblasen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Hm... -«
    Der Heilige, gepriesen sei Sein Name, schien sich allmählich mit dem Arrangement abzufinden. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch Sein Gefolge. Aber da verfinsterte sich Gottes Antlitz von neuem, und Seine Stimme erhob sich grollend:
    »Ihr könnt sagen, was ihr wollt, da stimmt etwas nicht. Irgendwo steckt doch ein Betrug. Wenn Ich nur wüßte, wo.« Der Herr versank in Gedanken.
    »Ihr behauptet also, das Ministerium für religiöse Angelegenheiten hat eine Vollmacht vom Landwirtschaftsministerium bekommen?«
    »Ja, o Herr. Eine schriftliche Vollmacht.«
    »Wie darf ein Ministerium sich die Macht anmaßen, Mein Land zu verkaufen? An einen Araber? Für wieviel haben sie es verkauft?«
    »Für 50 Schekel«, antwortete Dr. Krotoschiner. »Und selbst diese Summe hat man dem arabischen Käufer rückerstattet.«
    »Die Geschichte wird immer undurchsichtiger«, zürnte der Ewige. »Was soll das alles? Ich habe dieses Land, in welchem Milch und Honig fließen, den Nachkommen Abrahams zu eigen gegeben für alle Zeiten, und dann
    kommt irgendein Landwirtschaftsminister und verschleudert es für 50 Schekel.«
    »Wir haben das Schofar geblasen«, versuchte Isidor Bunzl zu beschwichtigen.
    Auf Gott den Herrn machte das keinen Eindruck mehr. Gott der Herr erhob sich. Gewaltig dröhnte Seine Stimme durch das All, gewaltige Donner schlage begleiteten sie.
    »Ich lege Berufung ein«, sprach der Herr. »Und wenn nötig, bringe Ich den Fall vor das Jüngste Gericht.«

    Wenn die religiöse Minderheit im Himmelreich noch V V gewisse administrative Schwierigkeiten hat, so kann man das von ihren eigentlichen Chefs auf der Erde, den Rabbinern, wirklich nicht behaupten. Ihre Möglichkeiten, die gottvergessenen Sünder Mores zu lehren, sind praktisch unbegrenzt, sowohl in ihrer Rolle als Zünglein an der Regierungswaage wie auch als landesweite Aufsicht über die koschere Küche und andere Monopole. Nichts beweist das besser als die legendäre »Blackprint-Affäre«, die 1989 zum ersten Mal ans Licht der Öffentlichkeit kam.
    Die Krise brach aus, als in der Druckfarbenfabrik »Blackprint« eine Beschwerde des Hauptrabbinats einging. Darin wurde der Direktor von »Blackprint« aufgefordert, umgehend die Lieferung von Druckerfarben an die Zeitung »Der Morgen« einzustellen. Es sei nämlich bekannt geworden, daß der Chefredakteur des Blattes unkoschere Wurst zu essen pflege. Der Direktor von »Blackprint« wurde aufgefordert, der Anordnung des Rabbinats unverzüglich Folge zu leisten, andernfalls werde man von den Druckfarben seiner Firma den Ko-gcherstempel entfernen, und die Vierfarbbeilagen der Wochenendausgaben würden dann von einer anderen Firma gedruckt.
    »Wegen unsittlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit«, liieß es abschließend, »und teuflischer Taten, trotz mehrfacher scharfer Abmahnung, sei die Thora zu preisen und zu verherrlichen, mit heiligem Eid und innigem Schwur, gelobt sei Sein Name in Ewigkeit, Amen.«
    »Wenn ihr meint«, sagte der Direktor von »Blackprint«. »Aber was passiert, wenn ich euch nicht folge?«
    »Dann werden wir dir die Hölle heiß machen, Freundchen.«
    Gesagt, getan. Bereits einige Tage danach gab der Kühlschrank des Direktors seinen Geist auf, und er mußte einen Handwerker bestellen. Aber kein Handwerker wagte, sein Haus zu betreten, denn auch die Gewerkschaft der Kühlschrankinstall ateure hatte unterdessen ein Schreiben des Rabbinats erhalten. Darin hieß es, man werde ihre Enkelsöhne nicht mehr beschneiden, wenn einer von ihnen das Haus des sündigen Klecksers betrete. Nur der Installateur Nußbaum, offenbar ein Mann von etwas labilem Charakter, ließ sich mit ein paar größeren Geldscheinen

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