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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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spricht der Herr, und euch bestrafen nach der Frucht eures Tuns.«
    Obwohl der leitende Polizeiinspektor von Rabbi Zal-mans großer Gelehrsamkeit tief beeindruckt war, mußte er in seiner amtlichen Funktion darauf hinweisen, daß Banküberfälle nach den gültigen Gesetzen nicht verübt werden dürfen und daß im übrigen alle Banken, ausnahmslos alle, Geld gegen Zinsen verleihen.
    »Alle Banken interessieren mich nicht«, entgegnete Rabbi Zalman mit dem Buch Ruth. »Mich interessiert die Bank meines Schwagers, >denn siehe, dieser Mann igt ein Anverwandter meines Stammes<«
    »Ganz richtig«, gab ihm der Inspektor recht. »Trotzdem ist es durchaus verständlich und auch rechtlich in Ordnung, daß der Bestohlene die Rückerstattung seines Eigentums verlangt.«
    »Im Buch der Chroniken«, unterbrach Rabbi Zalman, »heißt es ausdrücklich, daß >vom Gelde in den Tagen Salomos keinerlei Rechnung gelegt< wurde. Warum sollte ein Forklewitsch plötzlich Rechnung legen?«
    Der Inspektor blieb nach diesem Argument ein paar Sekunden lang stumm, dann entließ er den Rabbi mit der Bitte, über alles noch einmal in Ruhe nachzudenken.
    Draußen wurde Rabbi Zalman von jubelnden Anhängern empfangen, die ihn auf die Schultern hoben und im Triumph nach Hause trugen.
    *
    Jetzt reagierten die Medien. Die Frage, ob der Banküberfall gerechtfertigt war oder nicht, wurde auch in der Presse heftig diskutiert.
    Antireligiöse Kreise nutzten die Gunst der Stunde.
    »Ein klarer Fall von Raub«, verkündeten sie. »Ein Banküberfall am hellichten Tag. Ein krimineller Akt, begangen von orthodoxen Tätern.«
    Das religiöse Lager widersprach:
    »Schön und gut. In Gottes Namen geben wir zu, daß es sich um einen Raubüberfall handelt. Aber wer war der Räuber? Ein Fremder? Ein Unbekannter? Vielleicht gar ein Nichtjude? Nein! Es war der Schwager des Geldbesitzers, also ein naher Verwandter. Damit ist erstens gesichert, daß das Geld in der Familie bleibt. Zweitens, und immer vorausgesetzt, daß überhaupt ein Raub verübt wurde, warum wurde er verübt? Aus Geldgier? Aus Geiz? Aus Eigensucht? Im Gegenteil, es geschah aus völlig uneigennützigen Motiven, es geschah zur Ehre des Ewigen, gepriesen sei Sein Name. Die Bank hat gesündigt, die Bank hat gegen die heiligen Gebote verstoßen, die Bank muß büßen.«
    Die Entgegnung fand große Zustimmung, nur bei Theodor Forklewitsch nicht, dessen Bank unaufhaltsam dem Konkurs zustrebte. Die Kunden gerieten in Panik, leerten ihre Konten und schienen nur auf die Bankrotterklärung des bisher unbescholtenen Bankiers zu warten. Forklewitsch nahm einen Anwalt und bombardierte die Polizei mit Anträgen, die Räuber zu fassen und ihm sein Geld wiederzubeschaffen.
*
    Die Polizei versuchte verzweifelt, sich aus der kniffligen Situation herauszuhalten, wurde jedoch vom Justizministerium angewiesen, Nachforschungen »in angemessenen Grenzen« durchzuführen.
    Alle Spuren führten zu einer Synagoge.
    Als die Beamten dort eintrafen, wurden sie von einem Vertreter der Stadtverwaltung aufgehalten. Es wurden Koalitionsgespräche mit der religiösen Fraktion geführt, und bis zur Klärung der Sachlage sollte nichts weiter unternommen werden.
    In den Blättern der orthodoxen Parteien erschienen Leitartikel, die gegen eine Durchsuchung der Synagoge heftig protestierten und von einer Entweihung des Bethauses sprachen.
    »Wenn die Behörden«, hieß es, »nicht einmal vor den heiligen Thorarollen haltmachen, was haben wir dann als nächstes zu erwarten? Wo wird dieser Sittenverfall enden?«
    Unter dem Druck des religiösen Blocks wurde Theodor Forklewitsch verhaftet. Als er nach einiger Zeit gegen Kaution freigelassen wurde, war er ein körperlich und geistig gebrochener Mann, begann jedoch von neuem, seüi Geld zurückzuverlangen, obwohl bereits mehr als ein Jahr seit dem Bankraub vergangen war und obwohl er mit seiner läppischen Sturheit allen auf die Nerven ging. Das meinte sogar die Regierungspartei, deren Vertreter in der Eröffnungsrede eines Sozialistischen Seminars die Sprüche der Väter 10,12 zitierte:
    »Ein Banküberfall mag sündig sein, Genossen, aber >die Liebe löschet alle Sünden aus<.«
    Die Affäre ging in ihr zweites Jahr, ohne daß eine Lösung in Sicht war. Zwar war Theodor Forklewitsch geheilt aus der Psychiatrischen Klinik entlassen worden, aber sein seelisches Gleichgewicht war noch immer gestört. Anders ließ sich nicht erklären, daß er den Kampf um sein gestohlenes Geld wieder

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