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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Ballung der jüdischen Feste ihren Segen, Auch sie waren wohl Freizeitfreaks wie jeder andere normale Mensch auch. Unter uns gesagt, nur nichtswürdige Ungläubige freuen sich nicht auf die Feiertage, und vielleicht noch ein paar Arbeitgeber.
    *
    Ich hingegen bin weder ungläubig noch ein Ausbeuter. Nein, ich übe einen ganz alltäglichen Beruf aus, ich bin Ehemann. Als solcher stehe ich jedes Jahr aufs neue dem festlichen Familienkrach gegenüber. Bei der besten Ehefrau von allen treten nämlich beim Herannahen der Feiertage seltsame Veränderungen auf, die sich vor allem in einem unbezähmbaren Kaufrausch äußern. »Vor den Feiertagen« muß es sein. Vor den Feiertagen kauft sie Kleider, Hüte, Topfpflanzen, Zierdecken, Taschenlampen, Aquarelle und für mich eine neue Leiter und eine homöopathische Tinktur gegen Cellulitis. Natürlich ist das alles notwendig und begrüßenswert, bis heute aber bin ich dem Rätsel noch nicht auf die Spur gekommen, warum all diese Anschaffungen gerade »vor den Feiertagen« sein müssen. Ich habe die Liste unserer heiligen Pflichten im Alten Testament mehrmals durchgecheckt, konnte aber nicht den kleinsten Hinweis entdecken, daß vor den Feiertagen Fleckerlteppiche und Chlorophyllshampoo ins Haus gehören.
    Die Feiertage verbrämen ohnedies die sonderbarsten Verhaltensweisen. Trifft man zum Beispiel vier Wochen vor der jüdischen Feiert agsserie Bar-Honig, um eine pekuniäre
    Leihgabe zurückzuverlangen, die längst fällig ist, so kann man getrost sein letztes Maßhemd verwetten, daß Bar-Honig antwortet:
    »In Ordnung. Nach den Feiertagen.«
    Warum nach den Feiertagen? Warum, zum Teufel, darf man sich vor den Feiertagen dem Kaufrausch hingeben und mir erst danach mein Geld zurückgeben, warum muß eigentlich alles nach den Feiertagen erledigt werden?
    Ganz im Gegenteil, die festliche Stimmung sollte doch den unstillbaren Wunsch wecken, schuldenlos jene Tage zu verbringen und mir endlich meine lumpigen 100 Schekel zurückzuzahlen, und das sofort. Aber nein, nicht nur Bar-Honig, alle werden von der Feiertagsseuche angesteckt. Meine Hosen kommen vor Ostern nicht aus der Reinigung zurück, mein Zahnarzt behandelt meine Wurzel erst nach Neujahr und auch der Klempner kommt nicht vor, sondern danach. Alles steht still, sitzt fest, liegt lahm, bis zum Abklingen des Feiertagswahns.
    Außer den Briefträgern, den beklagenswerten Opfern der Feiertage.

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EIN VERLORENER KAMPF GEGEN GLÜCK UND ERFOLG
    Die jüngsten Statistiken haben es unwiderlegbar deutlich gemacht. Mit Ausnahme einer Heuschrek-kenplage schädigt nichts unsere Wirtschaft so sehr wie das Versenden von Glückwunschkarten für ein glückliches und erfolgreiches neues Jahr. Nach Schätzungen des Arbeitsministeriums gehen dafür jedes Jahr rund 30 Millionen Arbeitsstunden drauf, sowohl durch das Adressieren der Umschläge als auch durch das Aussortieren der Post, ganz zu schweigen vom Arbeitsausfall der unglücklichen Träger der Tonnen von Briefen. Nicht zu vergessen die Material- und Produktionskosten der vielfältigen Wünsche und das Müllproblem. Und letzten Endes kostet ja auch der Weg zum Recycling allerhand und die Reinigung des verstopften Kanalsystems.
    »Bürger«, warnen uns daher die umweltbewußten Politiker, »spart an Glückwünschen.«
    Das Amt für Statistik hat ermittelt, daß 60 Prozent der Empfänger ihr glückliches und erfolgreiches neues Jahr in den Müll werfen, ohne einen Blick drauf zu werfen, während nur 30 Prozent es noch vorher zerreißen. Zehn Prozent waren unentschieden. Ein Großhändler aus Jaffa, der 418 Karten verschickt hatte, antwortete auf die Frage, an wen seine Glückwünsche gegangen waren:
    »Ich habe Karten verschickt? Keine Ahnung.«
    Es scheint sich hier um eine Art Reflex der Handmuskeln zu handeln, gesteuert von unbewußten inneren Zwängen. Nach den Berechnungen der Zentralpost würde die glückliche Neujahrskartenkette bis nach Jerusalem reichen, die Stadt zweimal umkreisen und im Krankenwagen wieder in Tel Aviv eintreffen.
    Kein Wunder also, daß die Behörden beschlossen, dieser Schädigung des Bruttosozialproduktes ein für allemal ein Ende zu setzen.
*
    »Wir Israeli sind alle Brüder, dies müssen wir uns nicht jedes Jahr aufs neue beweisen«, erklärte der amtierende Postminister in einer bewegenden Fernsehansprache, »die Regierung hat den Kampf gegen die Kartensucht aufgenommen.«
    Und er ordnete an, daß pro Kopf nur mehr fünf glückliche

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