Der Blaumilchkanal
Standardzitat meiner Tochter: »Papa, gib's auf.«
Gern haben sie nur die Illustrationen, auf denen sie gut zu erkennen sind.
»Könntest du deinem Zeichner nicht endlich beibringen«, klagt nur Rafael immer wieder, »daß ich noch nie Sommersprossen gehabt habe.«
Pur die Kinder ist es ganz normal, daß sie in Zeitungen abgebildet sind, daß ihre Porträts die Titelseiten von Büchern schmücken und daß ihr Vater manche abenteuerlichen Geschichten über sie schreibt. Es ist für sie nichts Besonderes, bekannt zu sein. Wenn Renana auf der Straße angesprochen wird: »Bist du nicht zufällig...«, antwortet die Kleine:
»Selbstverständlich.«
Habe ich schon erwähnt, daß sie rote Haare hat?
Kritik höre ich auch, wenn ich meine literarische Gunst ungleich verteile.
»Papa«, klagt dann Amir vorwurfsvoll, »als Rafi in meinem Alter war, hast du viel öfter über ihn geschrieben als über mich heute.«
Ja, sie sind ziemlich eingebildet, diese Ministars an meinem Familienhimmel. Aber da ich sie auf dem Altar des hebräischen Humors geopfert habe, kann ich keine große Dankbarkeit erwarten.
Ich werde mich dem Wunsch der besten Ehefrau von allen endlich beugen, die kürzlich ein Machtwort sprach:
»Ephraim«, meinte sie zu ihrer größtmöglichen Höhe aufgerichtet, »hör auf, uns zu Allgemeingut zu machen. Suche dir gefälligst neue Helden.«
Ich werde wirklich aufhören. Nach dem nächsten Buch, meine ich.
Mein neues Familienbuch aber widme ich demonstrativ unserer treuen Hündin Max, dem einzigen Wesen im Hause, von dem das Vierte Gebot manchmal befolgt wird.
*
Ja, so war das vor vielen Jahren. Inzwischen ist viel Wasser den Jordan hinabgeflossen, die Kinder sind groß Und Doktoren geworden, haben das eine oder andere Mal geheiratet, und alles ist noch genauso chaotisch, wie ich es oben beschrieben habe.
Das Bestechende an der Bibel ist, daß sie nicht nur Gebote auftischt, sondern auch deren Notwendigkeit erläutert. Auch die Notwendigkeit, daß Kinder ihre Eltern ehren.
Nehmen wir zum Beispiel Isaaks Geschichte. Wie allgemein bekannt, war Abraham auf Gottes Anweisung kurz davor, seinen Sohn abzuschlachten, als das Unternehmen in letzter Minute abgeblasen wurde und Isaak das schöne Alter von 180 Jahren erreichte, weil er seinen Vater ehrte.
Aber nicht nur Väter sind zu Opfern bereit. Auch Mutterliebe währt ewig, wie in meiner klassischen Satire nachzulesen ist, die ich als Anwalt der siegreichen Mutter an den Vorsitzenden des Königlichen Gerichtshofes in Jerusalem geschrieben habe.
Euer Ehren!
Als Anwalt der Mutter, zu deren Gunsten das seither berühmt gewordene »Salomonische Urteil« ergangen ist, lege ich hiermit gegen dieses Urteil Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde ein.
Wie aus dem Verhandlungsprotokoll hervorgeht, wurde meine Mandantin vor 17 Jahren vor dem Königlichen Gericht einem Kreuzverhör unterzogen, das Seine Majestät mit dem Rechtsentscheid beschloß, den Streitgegenstand, ein Kleinkind unbestimmter Herkunft, in der Mitte zu teilen und jeder der beiden Mütter, die das Kind für sich in Anspruch nahmen, je eine Hälfte zu übergeben. Bei Bekanntgabe dieser Entscheidung stieß meine Mandantin einen Schreckensschrei aus, der einerkennen ließ, daß sie unter solchen Umständen ihren Anspruch auf das Kind zurückziehe. Aus Gründen, in die wir keinen Einblick haben, sprach König galomon daraufhin meiner Mandantin das Kind zu.
Das Kind ist inzwischen 17 Jahre alt geworden. Es ist männlichen Geschlechts, unrasiert, ungewaschen, tätowiert und trägt löchrige Jeans. Politisch tendiert der minderjährige junge Mann zu den Anarchisten, verbringt jedoch die meiste Zeit in sogenannten »Diskotheken« und raucht ein nach hier importiertes Kraut, das in seinen Kreisen als »Joint« bezeichnet wird. Das alles tut er auf Kosten meiner Mandantin, die infolge des seinerzeit ergangenen Urteils zur finanziellen Unterstützung ihres angeblichen Sohnes verpflichtet ist, obwohl nicht der geringste Beweis für ihre Mutterschaft vorliegt.
Ich beantrage daher die Aufhebung und Ungültigkeitserklärung des oben erwähnten Salomonischen Urteils. Meine Mandantin ist bereit, vor dem Königlichen Gerichtshof unter Eid zu erklären, daß sie sich mit ihrem damaligen Aufschrei von jeder verwandtschaftlichen Bindung an das fragliche Kleinkind für alle Zeiten distanziert hat.
Sollte meinem Antrag nicht stattgegeben und der Punker nicht jener anderen Frau, seiner wirklichen Mutter,
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