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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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was das schlimmste ist, er tut es in meinem eigenen Namen.«
    Schultheiß ließ sich in einen Sessel fallen und erzählte seine Leidensgeschichte:
    »Vor einem guten Jahr wurde ich eines Morgens durch das penetrante Hupen eines Taxis vor meinem Haus geweckt. Als der Fahrer merkte, daß sich nichts tat, begann er mit den Fäusten gegen meine Türe zu trommeln. Ich öffnete. Was mir denn einfiele, brüllte er mich an, warum ich ein Taxi bestellte, wenn ich keine Absicht hätte, es zu benutzen?«
    Schultheiß holte tief Atem.
    »Natürlich hatte ich kein Taxi bestellt. Aber in zivilisierten Ländern vertrauen die Leute einander, und das ist das Unglück. Wenn man ein Taxi bestellt, wird nicht lange gefragt, die Bestellung wird erledigt, und die Taxis fahren zu der angegebenen Adresse. Jedenfalls fuhren sie zu der meinen. Um 8 Uhr früh waren es bereits 14, und meine Nachbarn sprechen heute noch von dem Höllenlärm, den die 14 Fahrer damals veranstalteten ... An diesem Morgen wurde mir klar, daß irgend jemand meinen Namen mißbraucht, um mich zu töten.«
    Ich bekam eine Gänsehaut. Schultheiß fuhr fort:
    »Die Geschichte mit den Taxis war nur der Anfang. Seither gibt mir mein Verfolger keine Ruhe. In meinem Namen antwortete er auf Zeitungsannoncen, bestellt Lotterielose, Fachbücher, Enzyklopädien, Haushaltsartikel, kosmetische und medizinische Präparate, Pornovideos, Sprachlehrer, Möbel, Särge, Blumen, Bräute, alles, was man per Fax oder durch die Post bestellen kann. Damit nicht genug, hat er mich auch beim Verband abessinischer Einwanderen, bei der >Interessengemeinschaft ehemaliger Rumänen< und beim >Verein für die Reinhaltung des Familienlebens< angemeldet.
    Und vor kurzem hat er zwei marokkanische Waisenkinder für mich adoptiert.«
    »Aber wie ist das möglich? Wieso merkt denn niemand etwas?«
    »Weil niemand auf den Gedanken kommt, daß meine Briefe nicht von mir geschrieben wurden oder daß nicht ich telefoniere, sondern mein Mörder.«
    Bei den letzten Worten rannen Tränen über seine eingefallenen Wangen.
    »Und es wird täglich schlimmer. Mein Name ist allmählich ein Synonym für Betrug und Scheinheiligkeit geworden. Bis zum Juni dieses Jahres galt ich wenigstens noch als Mitglied der jüdischen Religionsgemeinschaft. Aber auch damit ist es vorbei.«
    »Wie ist ihm denn das gelungen?«
    »Eines Tages, während ich ahnungslos im Büro saß, erschienen zwei Franziskanermönche aus Nazareth in meiner Wohnung und besprengten, für die ganze Nachbarschaft sichtbar, meine koschere Kücheneinrichtung mit Weihwasser. Der Schurke hatte monatelang in meinem Namen kleine Spenden an das Kloster gelangen lassen und die beiden Mönche zu mir eingeladen.«
    Schultheiß verfiel vor meinen Augen. Seine Zähne klapperten.
    »Er hat meinen Schwiegervater denunziert. Eine von nur unterschriebene Anzeige beschuldigte meinen eigenen Schwiegervater, Schweizer Uhren, in Thunfischkonserven versteckt, ins Land zu schmuggeln, und was das schlimmste ist, die Anzeige erwies sich als begründet. Es ist unglaublich, mit welch satanischer Schläue dieser Schuft zu Werke geht. Zum Beispiel schickte er unserem Abteilungsleiter einen Brief mit meinem Absender, aber der Brief war an einen meiner Freunde gerichtet und enthielt die Mitteilung, daß unser Abteilungsleiter ein Volltrottel sei. So als hätte ich irrtümlieh die Briefumschläge vertauscht. Jede Woche schaltet er eine Anzeige, ich würde für acht Schekel monatlich ein möbliertes Zimmer vermieten. Ohne Ablöse. Oder daß ich dringend eine ungarische Köchin suche. Alle zwei Monate sperrt mir die Elektrizitätsgesellschaft den Strom ab, weil er sie verständigt hat, ich hätte vor, nach Ruanda auszuwandern. Ich werde von der National-Bank überwacht, weil ich angeblich meinen Briefen ins Ausland Hundertdollarscheine beilege, was doch streng verboten ist. Und meine Frau ist in der Nervenheilanstalt, seit man sie telefonisch informiert hat, daß ich in einem Puff mit sehr schlechtem Ruf in Jaffa Selbstmord begangen habe ...«
    Ein Weinkrampf schüttelte Schultheiß' ausgemergelten Körper. Allmählich wurde ich von Panik erfaßt. Schwarze Gedanken überfielen mich.
    »Vor den Wahlen«, fuhr Schultheiß stöhnend fort, »verschickte er ein Rundschreiben an meine Bekannten, in dem ich erklärte, ich würde für die Partei der Hausbesitzer stimmen, die einzige mit einem fortschrittlichen Programm. Niemand grüßt mich mehr. Seit er die Scientologen verständigt hat, ich

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